Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Nordamerika hatte 691 Export- und 626 Importkaufleute. Sie beschäftigten Lageristen, Matrosen, Kapitäne, Hafenarbeiter und Büroangestellte, die ihre Interessen im Großen und Ganzen teilten. In anderen pulsierenden Häfen wie Bristol, Liverpool und Portsmouth wimmelte es ebenfalls von derartigen Händlern. Sie forderten neue Wirtschaftsinstitutionen, und je vermögender sie wurden, desto mehr Macht konnten sie ausüben, um ihren Forderungen Nachdruck zu verschaffen. Die gleichen Kräfte waren in Frankreich, Spanien und Portugal wirksam. Dort jedoch fiel es den Königen weitaus leichter, den Handel und dessen Gewinne zu kontrollieren. Diese neue Gruppe von Kaufleuten, die England umgestalten sollte, war zwar in jenen Ländern entstanden, doch blieb sie dort viel kleiner und schwächer.
Als das Lange Parlament tagte und der Bürgerkrieg 1642 ausbrach, ergriffen die Kaufleute zumeist Partei für die parlamentarische Sache. In den 1670er Jahren beteiligten sie sich maßgeblich an der Gründung der Whig-Partei, um den Absolutismus der Stuarts zu bekämpfen, und 1688 sollten sie entscheidend an der Absetzung von Jakob II. mitwirken. Die größeren Chancen, die sich durch Nord- und Südamerika boten, der massenhafte Einstieg von englischen Kaufleuten in diesen Handel sowie die wirtschaftliche Entwicklung der Kolonien – und die von Händlern verdienten Vermögen – hatten zur Folge, dass sich die Machtverhältnisse im Kampf zwischen der Monarchie und den Gegnern des Absolutismus zugunsten der Letzteren verschoben.
Was vielleicht am wichtigsten war: Die Entstehung und Stärkung verschiedener Interessengruppen – von der Gentry, einer Schicht kommerziell tätiger Bauern, die sich in der Tudor-Zeit herausgebildet hatte, über die unterschiedlichsten Fabrikanten bis hin zu transatlantischen Händlern – sorgte dafür, dass die Koalition gegen den Stuart-Absolutismus nicht nur kraftvoll, sondern auch umfassend war. Sie wurde noch mehr durch die Gründung der Whig-Partei in den 1670er Jahren gestärkt, einer Organisation zur Förderung der Belange der Koalition. Außerdem wurde sie durch den sich nach der Glorreichen Revolution herausbildenden Pluralismus unterstützt.
Hätten all die Gegner der Stuarts die gleichen Interessen und die gleiche Herkunft gehabt, wäre der Sturz der Stuart-Monarchie vermutlich eine Neuauflage des Kampfes zwischen den Häusern Lancaster und York gewesen, bei dem eine Gruppe den begrenzten Interessen einer anderen gegenüberstand, um letztlich wieder die gleichen extraktiven Institutionen – oder eine Variante davon – zu schaffen. Die breitgefächerte Koalition dagegen stellte nachdrücklichere Forderungen nach der Bildung pluralistischer politischer Institutionen. Ohne jeglichen Pluralismus hätte die Gefahr bestanden, dass eine der diversen Gruppen die Macht auf Kosten der übrigen an sich gerissen hätte. Die Tatsache, dass das Parlament nach 1688 eine derart breite Koalition repräsentierte, war ein wesentlicher Grund dafür, dass die Parlamentsmitglieder den Petitionen Aufmerksamkeit schenkten, selbst wenn diese von Nichtparlamentsmitgliedern oder sogar von Personen ohne Stimmrecht eingebracht wurden. So wurden die Versuche von Gruppen durchkreuzt, ein Monopol zum Nachteil der übrigen Gesellschaft einzurichten, wie es die Wollbranche vor dem Manchester Act anstrebte.
Die Glorreiche Revolution war ebendeshalb ein bedeutendes Ereignis, weil sie von einer selbstbewusst gewordenen, breiten Koalition durchgeführt wurde, die es schaffte, eine konstitutionelle Regierung mit Machteinschränkungen für die Exekutive und, was genauso signifikant war, für ihre eigenen Mitglieder aufzubauen. Diese Einschränkungen hinderten beispielsweise die Erzeuger von Wolltextilien daran, die potentielle Konkurrenz in Form der Baumwoll- und Barchenthersteller zu ersticken. Folglich war die breite Koalition nach 1688 für den Übergang zu einem starken Parlament unerlässlich, aber sie lieferte auch eine Garantie dafür, dass keine einzelne Gruppe zu mächtig wurde und ihre Macht missbrauchte. Dies war der entscheidende Faktor für das Aufkommen pluralistischer politischer Institutionen. Die Kräftigung einer derart breiten Koalition spielte, wie später noch genauer erläutert, auch für das Fortbestehen und die Festigung der inklusiven wirtschaftlichen und politischen Institutionen eine wichtige Rolle.
Trotzdem führte nichts von alledem automatisch zu einer wahrhaft pluralistischen Regierung,
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