Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
mächtigeren Zentralstaat und ein effektiveres Verwaltungssystem aufzubauen. Allerdings geschah dies im Rahmen eines politischen Systems, das keine realen Beschränkungen ihrer Handlungsfreiheit und kaum pluralistische Elemente enthielt. Es gab kein Parlament, das den Monarchen im Geringsten kontrollierte, nur ein System von regionalen Reichsständen und Lehen, die gewisse Befugnisse hinsichtlich der Besteuerung und der Rekrutierung von Soldaten hatten. Die Maßnahmen der österreichisch-ungarischen Habsburger unterlagen noch weniger Kontrollen als die der spanischen Monarchen, und die politische Macht konzentrierte sich auf eine kleine Elite.
Während der Habsburger Absolutismus im 18. Jahrhundert stärker wurde, schwächten sich die Befugnisse sämtlicher nichtmonarchischen Institutionen weiter ab. Als eine Bürgerdelegation aus der Provinz Tirol Franz eine Petition überreichte, in der sie ihn um den Erlass einer Verfassung baten, beschied er sie, vorsichtig mit ihren Forderungen und Äußerungen zu sein, weil die Soldaten ihm gehorchten. Darauf zogen die Tiroler ihre Petition wieder zurück.
Franz löste den Staatsrat auf, in dessen Rahmen sich Maria Theresia mit ihren Ministern besprochen hatte. Fortan sollte es keine Beratungen oder öffentliche Diskussionen über die Entscheidungen der Krone mehr geben. Franz schuf einen Polizeistaat und zensierte alles, was auch nur einen Hauch von Radikalität erkennen ließ. Seine Herrschaftsphilosophie wurde von seinem langjährigen Mitarbeiter Graf Hartig als uneingeschränkte Aufrechterhaltung der Autorität des Souveräns und als Ablehnung sämtlicher Ansprüche des Volkes auf ein politisches Mitspracherecht charakterisiert. Bei alledem half ihm sein 1809 ernannter Außenminister Fürst von Metternich. Dessen Einfluss überdauerte den von Franz sogar, und er blieb fast vierzig Jahre lang Außenminister.
Die Basis der Habsburger Wirtschaftsinstitutionen bildeten die Feudalordnung und die Leibeigenschaft. Gen Osten wurde der Feudalismus im Reich ausgeprägter, worin sich der allgemeine Zerfall der Wirtschaftsinstitutionen, wie im vierten Kapitel dargelegt, widerspiegelte. Die Bewegungsfreiheit der Arbeitskräfte war äußerst eingeschränkt, und es war verboten abzuwandern. Als der englische Philanthrop Robert Owen die österreichische Regierung zu einigen Sozialreformen überreden wollte, um die Lebensbedingungen der Armen zu verbessern, erwiderte einer von Metternichs Mitarbeitern, Friedrich von Gentz: »Wir wünschen nicht, dass die großen Massen wohlhabend und unabhängig werden … Wie sollten wir dann über sie herrschen?«
Außer durch die Leibeigenschaft, welche die Entstehung eines Arbeitsmarktes verhinderte und die Masse der Landbevölkerung jeglicher Motivation zur Eigeninitiative beraubte, gedieh der Habsburger Absolutismus durch Monopole und andere Handelsbeschränkungen. Die städtische Wirtschaft wurde von Gilden und Zünften beherrscht, die den Zugang zu den Gewerben erschwerten. Bis 1777 gab es Binnenzölle in Österreich und bis 1784 in Ungarn. Man erhob abschreckende Einfuhrzölle, und der Import und Export vieler Güter war ausdrücklich verboten.
Die Unterdrückung der Märkte und die Gründung von extraktiven Wirtschaftsinstitutionen sind typisch für den Absolutismus, aber Franz ging noch weiter. Es genügte ihm nicht, dass seine Untertanen keine Anreize hatten, Neuerungen einzuführen. Im zweiten Kapitel haben wir geschildert, wie Versuche im Königreich Kongo, den Einsatz von Pflügen zu fördern, deshalb scheiterten, weil den Menschen durch den extraktiven Charakter der Wirtschaftsinstitutionen jeglicher Ansporn dazu fehlte. Der kongolesische König begriff, dass die landwirtschaftliche Produktivität durch den Einsatz von Pflügen gesteigert werden und er davon profitieren würde. Dies ist ein potentieller Anreiz für sämtliche – auch absolutistische – Regierungen. Doch die Menschen im Kongo wussten, dass ihr absolutistischer Monarch jederzeit alles beschlagnahmen konnte, was sie produzierten, weshalb sie keine Veranlassung sahen, Investitionen zu tätigen oder sich einer besseren Technik zu bedienen.
Aber im Habsburger Reich ermutigte Franz seine Bürger nicht einmal, bessere Techniken zu verwenden, sondern er widersetzte sich ihnen und blockierte Neuerungen, welche die Menschen im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsinstitutionen bereitwillig übernommen hätten. Er unterband die Entwicklung von Industrie, weil er zu Recht
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