Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
Vom Netzwerk:
Herrn grau geworden war und sich schließlich unter dem Fenster seines Herrn aufhängte; von Bauernaufständen, die Nikolaus’ I. Generäle unterdrückten, indem sie jeden zehnten oder fünften Mann zu Tode geißeln ließen und das Dorf verheerten … Was endlich die Armut betrifft, die ich auf unsern Reisen in manchen Dörfern, besonders in solchen auf kaiserlichem Grundbesitz, zu sehen bekam, so reichen Worte nicht aus, dem Leser eine Vorstellung von dem Elend zu geben, wenn er es nicht selbst gesehen hat.
    Genau wie in Österreich-Ungarn brachte der Absolutismus in Russland nicht nur eine Reihe von Wirtschaftsinstitutionen hervor, die den Wohlstand der Gesellschaft beeinträchtigten. Hinzu kam eine ähnliche Angst vor der schöpferischen Zerstörung, vor der Industrialisierung und der Eisenbahn. Graf Jegor Kankrin, der zwischen 1823 und 1844 unter Nikolaus I. als Finanzminister diente, spielte eine entscheidende Rolle bei der von diesen Ängsten getriebenen Blockierung des sozialen Wandels, der für die Förderung des wirtschaftlichen Wohlstands unerlässlich ist.
    Kankrins Programm zielte darauf ab, die traditionellen politischen Säulen des Regimes zu stärken, insbesondere den Landadel, und den Agrarcharakter der Gesellschaft zu bewahren. Nach seinem Amtsantritt ließ er rasch einen Vorschlag seines Vorgängers Gurew fallen, eine regierungseigene Kommerzbank für die Darlehensvergaben an Industrielle zu gründen. Stattdessen ließ er die Staatliche Kreditanstalt wiederaufleben, die während der Napoleonischen Kriege geschlossen worden war. Diese Bank hatte man ursprünglich eröffnet, um Großgrundbesitzern Darlehen mit subventionierten Zinsen zukommen zu lassen, was Kankrin billigte. Da die Antragsteller als Sicherheit Leibeigene anbieten mussten, konnten nur Feudalherren solche Gelder erhalten. Um die Staatliche Kreditanstalt zu finanzieren, übertrug Kankrin ihr Vermögenswerte von der Kommerzbank, womit er zwei Fliegen mit einer Klappe schlug, denn nun waren kaum noch Gelder für die Industrie übrig.
    Kankrin ließ sich, genau wie Zar Nikolaus, vorausahnend von der Angst leiten, dass ökonomischer zu politischem Wandel führen würde, und der erschien bedrohlich. Nachdem die Machtübernahme durch Nikolaus im Dezember 1825 fast an einem Putschversuch von russischen Offizieren, den sogenannten Dekabristen, gescheitert wäre, welche die Gesellschaft radikal umgestalten wollten, schrieb der Zar an den Großfürsten Michail: »Die Revolution steht auf der Schwelle Russlands, aber ich schwöre, dass sie nicht ins Land vordringen wird, solange ich noch einen Atemzug in meinem Körper habe.« Und auf einem Fabrikantentreffen bei einer Industrieausstellung in Moskau erklärte der Zar:
    Sowohl der Staat als auch die Produzenten müssen ihre Aufmerksamkeit folgendem Thema zuwenden, weil andernfalls die Fabriken nicht zu einem Segen, sondern zu einem Übel werden würden: nämlich der Fürsorge um die Arbeiter, deren Zahl sich alljährlich erhöht. Sie brauchen eine tatkräftige und väterliche Beaufsichtigung ihrer Moral. Sonst wird diese Menschenmenge allmählich verdorben werden und sich schließlich in eine ebenso elende wie für ihre Gebieter gefährliche Gesellschaftsschicht verwandeln.
    Wie Franz I. sorgte sich Nikolaus, dass die durch eine moderne Industriegesellschaft entfesselte schöpferische Zerstörung zur Aushöhlung des politischen Status quo in Russland beitragen würde. Angespornt von Nikolaus, unternahm Kankrin spezifische Schritte, um die Entwicklungsmöglichkeiten der Industrie auszubremsen. Er verbot mehrere Ausstellungen, die regelmäßig veranstaltet worden waren, um technische Innovationen zu präsentieren und ihren Einsatz zu erleichtern.
    Im Jahr 1848 wurde Europa durch eine Reihe revolutionärer Ausbrüche erschüttert. A. A. Sakrewski, der Militärgouverneur von Moskau, der die öffentliche Ordnung aufrechterhalten musste, schrieb dem Zaren: »Zwecks Bewahrung der Ruhe und der Prosperität, deren sich gegenwärtig nur Russland erfreut, darf die Regierung die Ansammlung von obdachlosen und liederlichen Menschen nicht zulassen, die sich unbedacht jeder Bewegung anschließen, um den gesellschaftlichen und privaten Frieden zu zerstören.« Die Minister des Zaren erwogen seinen Rat, und 1849 verabschiedeten sie ein neues Gesetz, durch das die Zahl der Fabriken, die man in jedem Moskauer Stadtteil eröffnen durfte, eng begrenzt wurde. In erster Linie wurde mit dem Gesetz der Eröffnung

Weitere Kostenlose Bücher