Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
mit irgendeiner der Kolonien, und alljährlich kehrte eine große Flotte mit Edelmetallen und anderen wertvollen Gütern aus Amerika nach Sevilla zurück. Durch dieses geschlossene Monopol konnte sich keine breite Kaufmannsschicht auf der Grundlage des Handels mit den Kolonien herausbilden. Sogar die Geschäfte innerhalb Amerikas waren stark reglementiert. Beispielsweise durfte ein Kaufmann in einer Kolonie wie Neu-Spanien (das ungefähr dem heutigen Mexiko entspricht) keine Geschäfte mit jemandem in Neu-Granada (dem heutigen Kolumbien) machen. Diese Handelsbeschränkungen innerhalb des Spanischen Reiches trugen zum Rückgang seines Wohlstands und auch, indirekt, zur Verringerung der potentiellen Vorteile bei, die Spanien durch Geschäftsbeziehungen zu einem anderen, wohlhabenderen Reich hätte erlangen können. Trotzdem war die Situation attraktiv, weil sie garantierte, dass weiterhin Silber und Gold nach Spanien flossen.
Die extraktiven Wirtschaftsinstitutionen Spaniens leiteten sich direkt vom Absolutismus und dem von England abweichenden Weg her, den die politischen Institutionen eingeschlagen hatten. Sowohl das Königreich Kastilien als auch das Königreich Aragonien hatten ihre Cortes, das heißt ein Parlament, das die verschiedenen Stände repräsentierte. Wie im Fall des englischen Parlaments mussten die kastilianischen Cortes einberufen werden, wenn die Monarchie neue Steuern verabschieden wollte. Jedoch vertraten die Cortes in Kastilien und Aragonien in erster Linie die Großstädte und nicht, wie das englische Parlament, auch ländliche Gebiete. Im 15. Jahrhundert repräsentierten sie lediglich achtzehn Städte, die jeweils zwei Abgeordnete entsandten.
Da die Cortes kein so breites gesellschaftliches Spektrum wie das englische Parlament vertraten, entwickelte sich in ihnen kein Geflecht von Interessengruppen, die bestrebt waren, dem Absolutismus Einschränkungen aufzuerlegen. Sie konnten keine Gesetze erlassen, und selbst ihre Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Besteuerung waren begrenzt. Dadurch fiel es der spanischen Monarchie umso leichter, die Cortes im Lauf ihrer Konsolidierung des Absolutismus auszuschalten. Trotz des aus Amerika eintreffenden Silbers benötigten Karl V. und Philipp II. unablässig steigende Steuereinnahmen, um eine Reihe teurer Kriege zu finanzieren. Im Jahr 1520 beschloss Karl V., den Cortes höhere Steuerforderungen zu präsentieren. Die städtischen Eliten nutzten den Moment, um umfassende Änderungen der Cortes und ihrer Befugnisse zu verlangen. Ihre Opposition nahm rasch gewalttätige Züge an und wurde als Comuneros-Aufstand bekannt. Karl konnte die Rebellion mit loyalen Einheiten niederschlagen. Allerdings kam es im übrigen 16. Jahrhundert zu fortwährenden Auseinandersetzungen, bei denen die Monarchie versuchte, den Cortes das Recht zur Erhebung neuer und zur Erhöhung alter Steuern abzuringen. Auch in diesem hin- und herwogenden Kampf setzte sich die Krone letzten Endes durch. Nach 1664 wurden die Cortes erst fast 150 Jahre später wieder einberufen, als man sie während der napoleonischen Angriffe neu gestaltete.
In England führte die Niederlage des Absolutismus im Jahr 1688 nicht nur zu pluralistischen politischen Institutionen, sondern auch zu einem viel schlagkräftigeren zentralisierten Staat. In Spanien trat das Gegenteil ein, da der Absolutismus triumphierte. Obwohl die Monarchie die Cortes geschwächt und alle potentiellen Einschränkungen der königlichen Handlungsfreiheit beseitigt hatte, wurde es immer schwieriger, Steuern zu erheben, selbst wenn Direktverhandlungen mit einzelnen Städten geführt wurden. Während der englische Staat eine moderne, leistungsfähige Steuerbürokratie schuf, bewegte sich Spanien erneut in die entgegengesetzte Richtung. Die Monarchie versäumte es nicht nur, die Eigentumsrechte für Unternehmer abzusichern, sondern sie monopolisierte auch den Handel, verkaufte (häufig erbliche) Ämter, pflegte das Steuerpachtsystem und gewährte gegen Geldzahlungen sogar Immunität gegenüber dem Gesetz.
Die Folgen des Wirkens derartiger extraktiver politischer und wirtschaftlicher Institutionen in Spanien waren absehbar. Im 17. Jahrhundert, während England ein wirtschaftliches Wachstum und dann eine rasche Industrialisierung zu verzeichnen hatte, begann in Spanien eine umfassende Talfahrt. Am Anfang des Jahrhunderts wohnte einer von fünf Spaniern in städtischen Gebieten. Am Ende des Jahrhunderts hatte sich diese Zahl
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