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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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einen Spitzel, Richard Blackburn, über Huntridges Fall zu verhören. Die Verurteilung hätte eine ausgemachte Sache sein müssen, doch sie war es nicht. Nach einer acht oder neun Stunden dauernden Verhandlung befanden die Geschworenen Huntridge für unschuldig, teils aus Verfahrensgründen, denn bei der Sammlung des Materials waren Unregelmäßigkeiten aufgetreten.
    Nicht alle Blacks und ihre Sympathisanten hatten so viel Glück wie Huntridge. Zwar sprach man auch einige andere frei oder reduzierte ihr Strafmaß, doch viele wurden gehenkt oder in die damals bevorzugte Strafkolonie Nordamerika befördert. Erst 1824 hob man das Gesetz auf. Huntridges Sieg war dennoch bemerkenswert, denn die Jury bestand nicht aus seinen Standesgenossen, sondern aus Großgrundbesitzern und Kleinadligen, die mit Walpole hätten sympathisieren müssen. Aber man befand sich nicht mehr im 17. Jahrhundert, als die Gerichte einfach nur den Wünschen der Stuart-Monarchen gehorchten und als Unterdrückungsinstrumente gegen deren Feinde fungierten. Zudem hatte der König Richter, deren Urteile ihm nicht zusagten, absetzen können. Nun aber mussten sich auch die Whigs an die Rechtsstaatlichkeit und an das Prinzip halten, dass Gesetze nicht selektiv oder willkürlich angewandt werden durften und dass niemand über ihnen stand.

    Die Ereignisse um den Black Act sollten belegen, dass die von der Glorreichen Revolution begründete Idee der Rechtsstaatlichkeit in Großbritannien nun erstarkt war und die Eliten sich ihr in viel höherem Maße fügen mussten, als sie es sich vorgestellt hatten. Zudem ist Rechtsstaatlichkeit nicht das Gleiche wie die Herrschaft des Gesetzes. Obwohl die Whigs ein strenges, repressives Gesetz verabschieden konnten, um den Widerstand gemeiner Bürger zu brechen, wurden sie infolge der Rechtsstaatlichkeit mit Beschränkungen konfrontiert. Ihr Gesetz verletzte die neuen Rechte, die durch die Glorreiche Revolution und durch den Wandel der politischen Institutionen bereits für alle Gültigkeit hatten, nachdem die »göttlichen« Rechte der Könige und die Privilegien der Eliten beseitigt worden waren. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit führte nun dazu, dass Bürger aller Schichten der Anwendung dieses Whig-Gesetzes Widerstand leisteten.
    Rechtsstaatlichkeit ist mit Blick auf die bisherige Geschichte ein sehr merkwürdiges Konzept. Warum sollten Gesetze gleichermaßen für alle gelten? Wenn der König und die Aristokratie die politische Macht haben und die Übrigen nicht, dann ist es nur natürlich, manches, was für den König und die Aristokratie zulässig ist, für den Rest unter Strafe zu stellen. In der Tat ist Rechtsstaatlichkeit unter absolutistischen politischen Institutionen unvorstellbar. Sie kann nur aus pluralistischen politischen Organen und dem breiten Konsens, der den Pluralismus stützt, hervorgehen. Lediglich wenn viele Individuen und Gruppen ein Mitspracherecht an den Entscheidungen und die Macht zu deren Durchsetzung haben, wird der Gedanke, dass alle gleich behandelt werden sollen, sinnvoll. Im frühen 18. Jahrhundert wurde Britannien hinreichend pluralistisch, und die Whig-Eliten mussten feststellen, dass Gesetze und Institutionen, die auf der Idee der Rechtsstaatlichkeit gründeten, auch sie einengen konnten.
    Doch warum unterwarfen sich die Whigs und andere Parlamentarier solchen Beschränkungen? Warum nutzten sie ihre Kontrolle über das Parlament und den Staat nicht dazu, eine kompromisslose Vollstreckung des Black Act zu erzwingen und die Gerichtsurteile zu verwerfen, die ihnen nicht zusagten? Die Antwort enthüllt viel über den Charakter der Glorreichen Revolution und über die Gründe dafür, wieso ein alter Absolutismus nicht schlicht durch eine neue Version ersetzt wurde, und auch über die Verbindung zwischen Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit sowie über die Dynamik von Tugendkreisen. Wie im siebten Kapitel ausgeführt, lief die Glorreiche Revolution nicht auf den Sturz der einen Elite durch eine andere hinaus, sondern auf einen Kampf gegen den Absolutismus durch eine breite Koalition aus Kleinadel, Kaufleuten, Fabrikanten sowie Whigs und Torys. Durch ihre Revolution konnten sich pluralistische politische Institutionen entwickeln. Die Rechtsstaatlichkeit war ein Nebenprodukt dieses Prozesses. Da sich viele Parteien die Macht teilten, bot es sich an, für alle gleiche Gesetze und Kontrollrechte einzuführen, damit keine einen zu großen Einfluss errang und dadurch wieder die Grundlagen des

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