Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
schwieriger geworden, die Schwarzen in den Südstaaten festzuhalten, und zum anderen endete ihre Unentbehrlichkeit für die Plantagenbesitzer. Deshalb hatten die Eliten weniger Gründe, energisch für die Aufrechterhaltung der alten extraktiven Wirtschaftsinstitutionen zu kämpfen. Das bedeutete allerdings nicht, dass sie die institutionellen Änderungen bereitwillig akzeptiert hätten, sondern es kam zu einem langwierigen Konflikt. Doch durch eine ungewöhnliche Koalition zwischen den Schwarzen der Südstaaten und den inklusiven Bundesinstitutionen der USA entstand eine machtvolle Tendenz fort von der südstaatlichen Extraktion und hin zur politischen und bürgerlichen Gleichberechtigung. Dies hatte zur Folge, dass endlich entscheidende Hindernisse für das Wirtschaftswachstum in den amerikanischen Südstaaten ausgeräumt wurden.
Der wichtigste Anstoß für den Wandel ging von der Bürgerrechtsbewegung aus. Die Schwarzen in den Südstaaten waren selbstbewusst geworden. Sie stellten, wie in Montgomery, die sie umgebenden extraktiven Institutionen in Frage und forderten ihre Rechte ein, indem sie sich zu Protesten mobilisierten. Aber sie waren nicht allein, denn der Süden war kein separater Staat, und die Eliten konnten nicht nach Belieben schalten und walten wie etwa in Guatemala. Als Teil der Vereinigten Staaten von Amerika war der Süden der amerikanischen Verfassung und der Bundesgesetzgebung unterworfen. Die Forderung nach grundlegenden Reformen sollte endlich von der US-Regierung, dem Kongress und dem Obersten Gerichtshof unterstützt werden, zum Teil auch deshalb, weil sich die Bürgerrechtsbewegung auch außerhalb der Südstaaten Gehör verschaffen konnte.
Das Eingreifen Washingtons in die Modernisierung der südstaatlichen Institutionen begann 1944 mit der Entscheidung des Supreme Court, dass Vorwahlen, bei denen ausschließlich Weiße kandidieren durften, verfassungswidrig seien. Wie erwähnt, waren Schwarze in den 1890er Jahren durch Kopfsteuern und Lese- und Schreibtests politisch entrechtet worden. Man manipulierte die Tests routinemäßig, um Schwarze zu diskriminieren, während arme und analphabetische Weiße das Stimmrecht behielten. Das Urteil des Supreme Court von 1944 war der Startschuss für eine längere Schlacht um die politische Gleichberechtigung der Schwarzen, und die Richter wussten, welche Bedeutung die Lockerung der Kontrolle der Weißen über die politischen Parteien hatte.
Dem Urteil von 1944 folgte 1954 der Fall »Brown gegen Erziehungsbehörde«. Hier entschied das Oberste Gericht, dass die vom Staat veranlasste Rassentrennung in Schulen und an anderen öffentlichen Stätten der Verfassung widersprach. 1962 beseitigte das Gericht eine weitere Säule der politischen Vorherrschaft der weißen Eliten: die legislative Disproportionalität. Wenn eine ungleiche Wahlbevölkerungsverteilung vorliegt – wie etwa in den englischen »Rotten Boroughs« vor dem First Reform Act –, können manche Regionen im Parlament überrepräsentiert sein. Die Disproportionalität in den Südstaaten führte dazu, dass die ländlichen Gebiete, die Basis der Plantagenbesitzer, im Vergleich zu den Städten stark überrepräsentiert waren. Der Supreme Court beendete diese Situation 1962 durch sein Urteil im Fall »Baker gegen Carr«, in dem es das Prinzip »Eine Person, eine Stimme« unterstrich.
Sämtliche Entscheidungen des Supreme Court hätten jedoch kaum Gewicht gehabt, wären sie nicht in die Praxis umgesetzt worden. In den 1890er Jahren zum Beispiel wurde die Bundesgesetzgebung, die den südstaatlichen Schwarzen das Wahlrecht einräumte, nicht verwirklicht, da der lokale Gesetzesvollzug von der südstaatlichen Elite und der Demokratischen Partei kontrolliert wurde und die Washingtoner Regierung diese Praxis duldete. Aber als die Schwarzen gegen die Elite der Südstaaten aufbegehrten, zerbröckelte eines der letzten Jim-Crow-Bollwerke, und die Demokratische Partei, angeführt von ihren nichtsüdstaatlichen Vertretern, wandte sich gegen die Rassentrennung.
Die südstaatlichen Mitglieder spalteten sich unter dem Banner der States Right Democratic Party ab und stellten bei der Präsidentschaftswahl von 1948 einen eigenen Kandidaten namens Strom Thurmond auf. Er gewann in vier Staaten und erhielt neununddreißig Stimmen im Wahlmännerkollegium. Das war natürlich weit von dem Einfluss der vereinten Demokratischen Partei auf die Bundespolitik und ihrer Eroberung durch die südstaatlichen Eliten entfernt.
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