Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Wohlstand schaffen können, indem sie von extraktiven zu inklusiven Institutionen übergehen. Aber sie macht auch von Anfang an klar, dass es keine einfachen Rezepte für solch einen Übergang gibt. Erstens sorgt der Teufelskreis dafür, dass es viel schwieriger ist, Institutionen zu verändern, als es den Anschein hat. Vor allem können sich extraktive Institutionen in verschiedenem Gewand neu erschaffen, wie wir im Zusammenhang mit dem Ehernen Gesetz der Oligarchie im zwölften Kapitel nachgewiesen haben. Die Tatsache, dass das extraktive Regime von Präsident Mubarak im Februar 2011 durch die Proteste des Volkes gestürzt wurde, garantiert noch nicht, dass Ägypten zu inklusiveren Institutionen fortschreiten wird. Trotz der dynamischen und hoffnungsvollen Pro-Demokratie-Bewegung könnten die extraktiven Institutionen wiedererstehen.
Zweitens wäre es angesichts der Unwägbarkeiten der Geschichte, die es schwierig machen festzustellen, ob ein spezifisches Zusammenwirken von Umbruchphasen und bestehenden institutionellen Unterschieden zu inklusiveren oder extraktiveren Institutionen führen wird, recht gewagt, allgemeine Handlungsempfehlungen für die Schaffung eines inklusiven Systems zu formulieren. Trotzdem ist unsere Theorie für die politische Analyse nützlich, da sie ermöglicht, mangelhafte Ratschläge zu erkennen, die entweder auf inkorrekten Hypothesen oder auf einem unzureichenden Verständnis der Wandlungsmöglichkeiten von Institutionen beruhen. Dabei ist es genauso wichtig, die schlimmsten Fehler zu vermeiden und nicht nach schlichten Lösungen zu suchen, wie sie etwa die gegenwärtige Handlungsempfehlung vorgibt, aufgrund des erfolgreichen chinesischen Beispiels der letzten Jahrzehnte zu »autoritärem Wachstum« zu greifen. Im Folgenden werden wir erklären, warum solch eine Handlungsempfehlung irreführend ist und warum das bisherige chinesische Wachstum, das sich unter extraktiven politischen Institutionen vollzieht, schwerlich zu einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung führen kann.
Der unwiderstehliche Charme des autoritären Wachstums
Dai Guofang sah den städtischen Boom in China schon früh voraus. In den 1990er Jahren wurden plötzlich überall neue Autobahnen, Geschäftszentren, Wohnhäuser und Wolkenkratzer gebaut, und Dai rechnete damit, dass sich dieses Wachstum im folgenden Jahrzehnt noch beschleunigen würde. Seiner Einschätzung nach konnte sein Unternehmen, Jingsu Tieben Iron and Steel, als kostengünstiger Produzent, zumal im Vergleich zu den ineffizienten staatseigenen Stahlwerken, einen großen Marktanteil an sich bringen. Dai plante, einen wahren Stahlgiganten zu bauen, und damit begann er, unterstützt von den lokalen Parteichefs in Changzhou, im Jahr 2003. Doch im März 2004 musste das Projekt auf Befehl der Kommunistischen Partei in Beijing eingestellt werden, und man verhaftete Dai aus nie völlig geklärten Gründen. Die Behörden nahmen vielleicht an, dass sie belastendes Beweismaterial in Dais Büchern finden würden. Jedenfalls verbrachte er die folgenden fünf Jahre im Gefängnis und unter Hausarrest und wurde schließlich im Jahr 2009 eines Bagatelldelikts für schuldig befunden. Sein wahres Verbrechen bestand jedoch darin, ein Großprojekt, das mit Staatsbetrieben konkurrieren würde, in Angriff genommen zu haben, und zwar ohne Billigung der höheren Tiere in der Kommunistischen Partei. Das war zumindest die Lehre, die andere aus der Angelegenheit zogen.
Die Reaktion der Kommunistischen Partei auf Unternehmer wie Dai sollte nicht überraschen. Chen Yun, einer von Deng Xiaopings engsten Mitarbeitern und möglicherweise der Hauptarchitekt der frühen Marktreformen, fasste die Ansicht der meisten Parteikader in seiner »Vogelkäfig«-Analogie zusammen: Die chinesische Wirtschaft sei der Vogel; der Käfig, das heißt die Parteikontrolle, sei zu erweitern, damit der Vogel gesünder und kräftiger werde, aber man könne den Käfig nicht öffnen oder entfernen, damit der Vogel nicht wegflog.
Jiang Zemin, der 1989 das mächtigste Amt in China, nämlich das des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei, angetreten hatte, ging noch weiter und ließ keinen Zweifel am Argwohn der Partei gegenüber Unternehmern. Er bezeichnete sie als »selbständige Händler und Hausierer, [die] betrügen, unterschlagen, bestechen und Steuern hinterziehen«. Die gesamten 1990er Jahre hindurch betrachtete man das Privatunternehmertum mit Argwohn, obwohl gleichzeitig Auslandsinvestoren
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