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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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hervorbringen können.
    Erstens bestimmten institutionelle Unterschiede in Nord- und Südamerika während des 15. Jahrhunderts darüber, in welcher Form diese Gebiete kolonisiert wurden. Nordamerika schlug einen anderen institutionellen Pfad ein als Peru, weil es vor der Kolonisierung spärlich bevölkert war und europäische Siedler anzog. Diese erhoben sich dann erfolgreich gegen die Elite, welche die Virginia Company und die englische Krone hatten etablieren wollen. Die spanischen Konquistadoren dagegen fanden in Peru einen zentralisierten, extraktiven Staat, den sie übernehmen, und dazu dicht besiedelte Gegenden vor, deren Bevölkerung sie in Bergwerken und auf Plantagen einsetzen konnten.
    Auch die Situation in Nord- und Südamerika hatte zur Zeit der Ankunft der Europäer nichts geographisch Prädeterminierendes an sich. Genau wie die Entstehung eines zentralisierten Staates unter König Shyaam bei den Bushong das Ergebnis einer bedeutenden institutionellen Neuerung – oder vielleicht sogar einer politischen Revolution – war (siehe fünftes Kapitel), so resultierten auch die Inkakultur in Peru und der dortige Bevölkerungsreichtum aus wichtigen institutionellen Innovationen. Diese hätten auch in Nordamerika, etwa im Mississippi-Tal oder sogar im Gebiet der heutigen nordöstlichen Vereinigten Staaten, stattfinden können. In einem solchen Fall wären die Europäer vielleicht auf leere Flächen in den Anden und auf zentralisierte Staaten in Nordamerika gestoßen, womit sich die Rollen Perus und der Vereinigten Staaten umgekehrt hätten. Die Europäer hätten sich dann möglicherweise in Gegenden um Peru angesiedelt, und der Konflikt zwischen ihrer Mehrheit und ihrer Elite hätte dort statt in Nordamerika zur Schaffung inklusiver Institutionen führen können. Danach wäre es wahrscheinlich zu ganz anderen Wirtschaftsentwicklungen gekommen.
    Zweitens hätte das Inkareich dem europäischen Kolonialismus widerstehen können, ähnlich wie es Japan tat, als Commodore Perrys Schiffe in die Bucht von Edo einfuhren. Obwohl das Inkareich extraktiver war als Japan unter den Tokugawas, wodurch eine politische Umwälzung nach Art der Meiji-Restauration in Peru weniger wahrscheinlich wirkte, bestand keine historische Notwendigkeit dafür, dass sich die Inka der europäischen Vorherrschaft völlig unterwarfen. Wären sie fähig gewesen, Widerstand zu leisten und ihre Institutionen der Bedrohung gemäß zu modernisieren, hätte die Geschichte Amerikas – und damit der ganzen Welt – anders aussehen können.
    Drittens war es weder historisch noch geographisch noch kulturell vorherbestimmt, dass ausgerechnet die Europäer die Welt kolonisierten. Es hätten genauso gut die Chinesen oder sogar die Inka sein können. Natürlich ist solch eine Entwicklung unmöglich, wenn wir die Welt aus der Sicht des fünfzehnten Jahrhunderts betrachten, als Westeuropa bereits einen Vorsprung vor Amerika besaß und China sich nach innen gekehrt hatte. Aber das Westeuropa des 15. Jahrhunderts war seinerseits aus einem nicht vorhersehbaren Prozess der von Umbruchphasen durchsetzten institutionellen Entwicklungen hervorgegangen, und nichts davon war unvermeidlich. Die westeuropäischen Staaten hätten nicht voranschreiten und die Welt erobern können, wären zuvor nicht mehrere historische Wendepunkte eingetreten. Dazu gehörten die Tatsache, dass der Feudalismus eine spezifische Richtung einschlug, wodurch die Sklaverei abgeschafft und die Macht der Monarchen verringert wurde; die Tatsache, dass Europa in den Jahrhunderten nach dem ersten Millennium die Gründung unabhängiger und wirtschaftlich autonomer Städte erlebte; die Tatsache, dass sich europäische Monarchen, anders als die chinesischen Kaiser der Ming-Dynastie, nicht vom Überseehandel bedroht fühlten und ihm deshalb nicht entgegenwirkten; und die Ankunft des Schwarzen Todes, der die Feudalordnung in ihren Grundfesten erschütterte. Wären diese Ereignisse anders abgelaufen, könnten wir heute möglicherweise in einer Welt leben, in der Peru reicher wäre als Westeuropa oder die Vereinigten Staaten.

    Natürlich ist die Vorhersagekraft einer Theorie begrenzt, in der sowohl kleine Unterschiede als auch der Zufall Schlüsselrollen spielen. Kaum jemand hätte im 15. oder auch im 16. Jahrhundert, geschweige denn in den vielen Jahrhunderten nach dem Fall des Römischen Reiches, prognostiziert, dass sich der entscheidende Durchbruch hin zu inklusiven Institutionen in Britannien

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