Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Institutionen den Schlüssel zu den Unterschieden zwischen den beiden Nogales sowie zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten liefern, heißt das nicht, dass man sich in Mexiko über eine Änderung der Institutionen einigen wird. Es gibt keine Notwendigkeit für eine Gesellschaft, die Institutionen zu entwickeln oder zu übernehmen, die am günstigsten für das Wirtschaftswachstum oder für das Wohlergehen der Bürger sind, denn andere Institutionen könnten noch günstiger für diejenigen sein, welche die Politik und deren Organe kontrollieren.
Die Mächtigen und die übrigen Mitglieder der Gesellschaft werden oft uneins darüber sein, welche Institutionen unverändert bleiben und welche umgewandelt werden sollten. Carlos Slim würde sich nicht darüber freuen, seine politischen Beziehungen verschwinden und die Einstiegsschranken, die seine Unternehmen schützen, abbröckeln zu sehen – auch wenn die Gründung neuer Firmen Millionen von Mexikanern reicher machen würde. Da ein solcher Konsens nicht existiert, werden die gesellschaftlichen Regeln letztlich von der Politik festgelegt, also die Regeln dafür, wer Macht besitzt und wie sie ausgeübt werden kann. Carlos Slim hat die Macht, sich zu verschaffen, was er will. Bill Gates’ Macht ist viel stärker begrenzt. Deshalb befasst sich unsere Theorie nicht nur mit der Wirtschaft, sondern auch mit der Politik. Sie analysiert die Wirkung von Institutionen auf den Erfolg und das Scheitern von Staaten – also die Ökonomie der Armut und des Wohlstands. Zudem handelt sie davon, wie Institutionen zustande kommen und sich im Lauf der Zeit wandeln oder warum sie sich manchmal selbst dann nicht ändern, wenn sie Armut und Elend für Millionen schaffen. Deshalb sprechen wir von der Politik der Armut und des Wohlstands.
2.
Theorien, die nicht funktionieren
Die Lage der Dinge
Der Schwerpunkt unseres Buches liegt darauf, die Ungleichheit in der Welt sowie ihre leicht erkennbaren großen Muster zu erklären. Das erste Land, das ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum erlebte, war England – oder Großbritannien, gewöhnlich schlicht Britannien, wie man die Union von England, Wales und Schottland nach 1707 nennt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann hier ein langsames Wachstum, als die auf wichtigen technologischen Fortschritten und ihrer Anwendung in der Produktion basierende Industrielle Revolution Fuß fasste. Von England aus breitete sich die Industrialisierung dann auf den größten Teil Westeuropas und der Vereinigten Staaten aus. Zudem griff der englische Wohlstand rasch auf die britischen Siedlerkolonien in Kanada, Australien und Neuseeland über. Ein Verzeichnis der heutzutage reichsten dreißig Länder würde sie sowie Japan, Singapur und Südkorea einschließen. Die Prosperität der drei Letzteren ist wiederum Teil eines umfassenderen Musters, das dem raschen Wachstum vieler ostasiatischer Staaten, darunter Taiwan und später China, zugrunde liegt.
Die Schlusslichter der Welteinkommensverteilung lassen ein ebenso markantes und deutliches Bild erkennen wie die Spitzenländer. Erstellt man eine Liste der dreißig ärmsten Staaten in der heutigen Welt, so wird man fast alle im subsaharischen Afrika finden. Hinzu kommen Länder wie Afghanistan, Haiti und Nepal, die alle eine wesentliche Gemeinsamkeit mit den afrikanischen Staaten haben, wie wir noch erläutern werden. Schaut man fünfzig Jahre zurück, sehen die Listen der jeweils reichsten und ärmsten dreißig Staaten nicht sehr anders aus. Singapur und Südkorea würden nicht zu den reichsten Ländern gehören, und man fände mehrere andere Staaten unter den unbemitteltsten dreißig, doch das Gesamtbild würde auf bemerkenswerte Art mit dem heutigen übereinstimmen. Auch wenn man hundert oder hundertfünfzig Jahre zurückblickt, trifft man überwiegend dieselben Länder in denselben Gruppen an.
Karte 3 zeigt die Lage der Dinge im Jahr 2008. Die am dunkelsten schattierten Länder sind die ärmsten der Welt, in denen das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen (das man beispielsweise errechnet, indem man das Bruttonationalprodukt durch die Zahl der Bevölkerung im Lande teilt) weniger als jährlich 2000 Dollar beträgt. Fast ganz Afrika trägt diese Farbe, dazu Afghanistan, Haiti und Teile von Südostasien (zum Beispiel Kambodscha und Laos). Nordkorea gehört ebenfalls zu dieser Ländergruppe. Die Staaten in Weiß sind die reichsten; sie verfügen über ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen von
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