Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Cão ihm im Jahr 1483 den ersten Besuch abgestattet hatte. Damals war Kongo nach afrikanischen Maßstäben ein hoch zentralisiertes Gemeinwesen, dessen Hauptstadt Mbanza eine Bevölkerung von 60000 Menschen hatte. Damit war sie ungefähr so groß wie die portugiesische Hauptstadt Lissabon und übertraf London, das im Jahr 1500 rund 50000 Einwohner aufwies. Der König des Kongo, Nzinga a Nkuwu, konvertierte zum Katholizismus und nannte sich fortan João I. Später wurde Mbanza in São Salvador umbenannt.
Karte 6: Königreich Kongo, Königreich der Kuba, die Bushong und die Lele
Dank der Portugiesen erfuhren die Kongolesen vom Rad und vom Pflug. Die Ersteren ermutigten sie durch Agrarmissionen 1491 und 1512 sogar, diese Gerätschaften einzusetzen. Aber alle derartigen Initiativen scheiterten. Andererseits waren die Kongolesen durchaus nicht jeder Innovation abgeneigt. So übernahmen sie sehr rasch eine traditionsreiche westliche Neuerung: das Gewehr. Dieses mächtige Werkzeug erleichterte ihnen, Sklaven gefangen zu nehmen und zu exportieren. Nichts deutet darauf hin, dass afrikanische Werte oder die dortige Kultur die Verwendung neuer Technologien und Praktiken verhinderten.
Während sich die Kontakte der Kongolesen zu den Europäern vertieften, übernahmen sie deren Schrift, Kleidungsstile und Hauskonstruktionen. Im 19. Jahrhundert nutzten viele afrikanische Gesellschaften überdies die durch die Industrielle Revolution geschaffenen wirtschaftlichen Möglichkeiten, indem sie ihre Produktionsmuster änderten. Westafrika verzeichnete durch den Export von Palmöl und Erdnüssen ein zügiges Wirtschaftswachstum. Überall im südlichen Teil des Kontinents stiegen die Exporte in die sich rasch ausbreitenden Industrie- und Bergbaugebiete des südafrikanischen Rand. Diese vielversprechenden wirtschaftlichen Entwicklungen wurden nicht durch die afrikanische Kultur oder durch das Unvermögen der Durchschnittsafrikaner, in ihrem eigenen Interesse zu handeln, zunichtegemacht, sondern zunächst durch den europäischen Kolonialismus und dann, nach der Unabhängigkeit, durch afrikanische Regierungen.
Der wirkliche Grund, warum die Kongolesen auf überlegene Techniken verzichteten, bestand darin, dass ihnen die Anreize fehlten. Sie sahen sich dem hohen Risiko ausgesetzt, dass ihre gesamten Erträge von dem allmächtigen König, ob er nun zum Katholizismus konvertiert war oder nicht, enteignet oder massiv besteuert wurden. Und nicht nur ihr Eigentum war bedroht, selbst ihr Weiterleben hing an einem Faden. Viele wurden gefangen genommen und als Sklaven verkauft – schwerlich das Umfeld, das zu Investitionen in die Steigerung der langfristigen Produktivität ermutigte. Auch der König hatte keinen Anreiz, den Pflug im großen Maßstab einsetzen zu lassen und die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität zu einem vorrangigen Ziel zu machen, denn der Export von Sklaven war weitaus profitabler.
Heute mag es zutreffen, dass Afrikaner weniger Vertrauen zueinander haben als Menschen in anderen Teilen der Welt. Aber dies ist das Ergebnis einer langen Geschichte von Institutionen, welche die Menschen- und Eigentumsrechte in Afrika aushöhlten. Die Möglichkeit, als Sklave verkauft zu werden, wirkte sich im Lauf der Geschichte unzweifelhaft auf das Vertrauen aus, das Afrikaner einander entgegenbrachten.
Und Max Webers protestantische Ethik? Obwohl überwiegend protestantische Staaten wie die Niederlande und England die ersten wirtschaftlichen Erfolge der modernen Zeit verkörperten, besteht kaum eine Verbindung zwischen Religion und wirtschaftlichem Fortschritt. Frankreich, ein mehrheitlich katholisches Land, passte sich der Wirtschaftsleistung der Niederländer und Engländer im 19. Jahrhundert sehr bald an. Ähnliches gilt für Italien. Weiter östlich kann man feststellen, dass sich keiner der Wirtschaftserfolge Ostasiens der christlichen Religion verdankt. Auch in dem Fall gibt es keinen Zusammenhang zwischen Protestantismus und ökonomischer Leistung.
Wenden wir uns dem Lieblingsgebiet der Anhänger der Kultur-Hypothese zu: dem Nahen Osten. Nahöstliche Länder sind vornehmlich islamisch, und die Nicht-Ölförderer unter ihnen leben, wie wir bereits ausgeführt haben, in tiefster Armut. Länder mit Ölvorkommen sind reicher, doch dieser unerwartete Wohlstand hat es keineswegs vermocht, vielfältigere moderne Ökonomien in Saudi-Arabien oder Kuwait hervorzubringen. Lässt sich durch diese Tatsachen nicht
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