Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Ende zu setzen. Philipp II. entsandte eine gewaltige Flotte, die vom Herzog von Medina Sidonia befehligte Armada. Für viele Beobachter stand es fest, dass die Spanier einen überwältigenden Sieg davontragen, ihr Atlantik-Monopol festigen, Elisabeth I. wahrscheinlich stürzen und letztlich vielleicht sogar die Kontrolle über die Britischen Inseln erringen würden.
Doch etwas ganz anderes trat ein. Schlechtes Wetter und strategische Fehler Sidonias, der nach dem Tod eines erfahreneren Admirals überstürzt den Befehl übernommen hatte, brachten die Spanier um ihren Vorteil. Entgegen allen Erwartungen zerstörten die Engländer große Teile der Flotte ihres viel stärkeren Gegners. Damit konnten sie nun den Atlantik unter den gleichen Bedingungen wie die Spanier befahren. Ohne diesen überraschenden Sieg wäre es nicht zu den politischen Umwälzungen und den pluralistischen politischen Institutionen in England nach 1688 gekommen. Karte 9 zeigt die Spur der Zerstörung, welche die britische Flotte in Form von spanischen Schiffswracks hinterließ, während sie der Armada nachsetzte. Natürlich hätte 1588 niemand voraussagen können, dass ein Jahrhundert später als Folge des glücklichen englischen Sieges eine Umbruchphase entstehen würde, die in eine Revolution mündete.
Karte 9: Die spanische Armada, Schiffswracks und wichtige Länder, in denen die Wende vollzogen wurde
Selbstverständlich endet nicht jede Umbruchphase in einer erfolgreichen Revolution oder einer Wendung zum Besseren. Die Geschichte enthält zahlreiche Beispiele für Revolutionen und radikale Bewegungen, die lediglich eine Tyrannei durch die andere ersetzten. Dieses Muster bezeichnete der deutsche Soziologe Robert Michels als Ehernes Gesetz der Oligarchie, eine besonders verderbliche Variante des Teufelskreises. Das Ende des Kolonialismus in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg führte in vielen der betroffenen Gebiete zu kritischen Phasen. In den meisten Fällen handelten die neuen Regierungen im subsaharischen Afrika – und oft in Asien – nach der Unabhängigkeit allerdings gemäß dem von Robert Michels beschriebenen Muster: Sie wiederholten und verschärften die Missbräuche ihrer Vorgänger, indem sie die Verteilung der politischen Macht einengten, Kontrollen abbauten und die bereits kümmerlichen Anreize der Wirtschaftsinstitutionen für Investitionen und ökonomischen Fortschritt noch weiter aushöhlten. Nur in ein paar Fällen, etwa in Botswana, wurden kritische Phasen genutzt, um einen politischen und wirtschaftlichen Wandel als Voraussetzung des Wachstums einzuleiten.
Kritische Phasen können auch Veränderungen hin zu extraktiven Institutionen – statt von ihnen fort – bewirken. Obwohl inklusive Institutionen ihre eigene Feedback-Schleife, den Tugendkreis, auslösen, können auch sie auf Gegenkurs gehen und schrittweise extraktiver werden. Ob es dazu kommt, ist unvorhersehbar. Die Republik Venedig machte im Mittelalter bemerkenswerte Fortschritte in Richtung inklusiver politischer und wirtschaftlicher Institutionen. Aber während derartige Einrichtungen in England nach der Glorreichen Revolution von 1688 allmählich stärker wurden, nahmen sie in Venedig letztlich unter der Herrschaft einer kleinen Elite eine extraktive Form an, die sowohl die wirtschaftlichen Chancen als auch die politische Macht monopolisierte.
Wie man die Lage der Dinge verstehen kann
Das Aufkommen einer Marktwirtschaft im England des 18. Jahrhunderts, die auf inklusiven Institutionen und nachhaltigem Wirtschaftswachstum beruhte, ließ die ganze Welt aufmerksam werden – nicht zuletzt deshalb, weil diese Marktwirtschaft England erlaubte, große Gebiete zu kolonisieren. Doch während der Einfluss des englischen Wirtschaftswachstums unzweifelhaft um den Globus herum zu spüren war, nahm man die wirtschaftlichen und politischen Institutionen, die dies bewirkt hatten, nicht automatisch zur Kenntnis. Die Ausbreitung der Industriellen Revolution wirkte sich unterschiedlich auf die Welt aus, ähnlich wie der Schwarze Tod unterschiedliche Folgen in West- und Osteuropa zeitigte und die Expansion des Atlantikhandels in England und Spanien verschiedenartige Reaktionen auslöste. Es waren die jeweiligen Institutionen, welche die Auswirkungen für die einzelnen Länder bestimmten, wobei kleine Unterschiede durch kritische Phasen mit der Zeit vergrößert wurden. Diese institutionellen Unterschiede und ihre Folgen haben sich aufgrund der Teufels-
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