Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Süßkartoffeln, Maniok (Cassava), Bohnen sowie Mais, von dem sie jährlich zwei oder sogar drei Ernten einbrachten. Die Lele hatten kein derartiges System und erzielten jährlich nur eine einzige Maisernte.
Auch bei der Sicherheit gab es auffällige Unterschiede. Die Lele verteilten sich auf befestigte Dörfer, die dauernd im Streit miteinander lagen. Wer von einem zum anderen reiste oder sich auch nur in den Wald vorwagte, um Nahrung zu sammeln, musste fürchten, angegriffen oder entführt zu werden. So etwas geschah im Land der Bushong selten oder nie.
Was begründete diesen Kontrast der Produktionsmuster, des Landbaus und der Sicherheit? Offensichtlich waren es nicht die geographischen Verhältnisse, welche die Lele veranlassten, eine unterlegene Jagd- und Agrartechnik einzusetzen. Gewiss lag es nicht an ihrer Ignoranz, denn sie waren über das Werkzeug und die Techniken der Bushong auf dem Laufenden. Eine weitere Erklärung könnte im kulturellen Bereich liegen: Hatten die Lele vielleicht Bräuche, die sie davon abhielten, in Jagdnetze sowie in stabilere, besser gebaute Häuser zu investieren? Aber auch das scheint nicht der Fall zu sein. Wie die übrigen Bewohner des Kongo waren die Lele sehr interessiert daran, Waffen zu kaufen, und Douglas bemerkte sogar: »Ihr eifriger Erwerb von Feuerwaffen … zeigt an, dass sie durch ihre Kultur nicht auf den Gebrauch schlechterer Geräte beschränkt sind, wenn bessere Techniken keine langfristige Zusammenarbeit und Anstrengung erfordern.« Weder eine kulturelle Aversion gegen neue Techniken noch Ignoranz, noch die geographische Situation können also eine befriedigende Erklärung dafür liefern, warum die Bushong wohlhabender sind als die Lele.
Der Grund für die Unterschiede zwischen diesen beiden Völkern ist in den unterschiedlichen politischen Institutionen zu suchen, die sich in den Gebieten der Bushong und der Lele herausbildeten. Wir haben erwähnt, dass die Lele in befestigten Dörfern wohnten, die nicht Teil einer einheitlichen politischen Struktur waren. Dies sah am anderen Ufer des Kasai anders aus. Um 1620 kam es dort zu einer politischen Revolution unter Führung eines Mannes namens Shyaam. Er gründete das auf Karte 6 abgebildete Königreich der Kuba. Die Bushong formten den Kern des Reiches, und Shyaam machte sich selbst zum König. Bis dahin hatte es wahrscheinlich kaum Unterschiede zwischen den Bushong und den Lele gegeben; sie entstanden erst infolge der Art und Weise, wie Shyaam die Gesellschaft östlich des Flusses umorganisierte. Er baute einen Staat und eine pyramidenartige Hierarchie politischer Institutionen auf. Diese waren nicht nur erheblich stärker zentralisiert als zuvor, sondern auch äußerst kunstvoll strukturiert. Shyaam und seine Nachfolger schufen eine Bürokratie zur Erhebung von Steuern sowie ein juristisches System und eine Polizeitruppe, die das Gesetz vollstreckte. Die Stammesführer wurden von Räten kontrolliert, von denen sie Entscheidungen absegnen lassen mussten. Die Bushong hatten sogar ein Schwurgerichtsverfahren, was im subsaharischen Afrika vor dem europäischen Kolonialismus anscheinend beispiellos war. Trotzdem diente Shyaams zentralisierter Staat als durch und durch absolutistisches Werkzeug der Extraktion. Niemand stimmte über den König ab, und die Staatspolitik wurde von oben, nicht unter Teilnahme des Volkes festgelegt.
Diese politische Revolution, die im Land der Kuba staatliche Zentralisierung sowie Recht und Ordnung mit sich brachte, leitete zu einer wirtschaftlichen Revolution über. Die Landwirtschaft wurde umorganisiert, und man griff zu neuen Verfahren, um die Produktivität zu erhöhen. Die Nutzpflanzen, die vorher als Grundnahrungsmittel gedient hatten, wurden durch neue, ertragreichere aus Amerika ersetzt (insbesondere Mais, Maniok und Paprika). Eine Felderwirtschaft wurde eingeführt, und die pro Kopf erzeugte Lebensmittelmenge verdoppelte sich. Um diese Pflanzen anzubauen und den Agrarzyklus neu zu gestalten, brauchte man mehr Arbeitskräfte auf den Feldern. Deshalb senkte man das Heiratsalter auf zwanzig Jahre, wodurch sich jüngere Männer den landwirtschaftlichen Arbeitskräften anschlossen. Der Kontrast zu den Lele ist deutlich. Ihre Männer heirateten zumeist erst mit fünfunddreißig Jahren und arbeiteten vorher nicht auf den Feldern. Bis dahin widmeten sie ihr Leben kriegerischen Auseinandersetzungen und Überfällen.
Der Zusammenhang zwischen der politischen und der wirtschaftlichen
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