Warum Sex Spass macht
unserer Ehe- und Sexualpartner nicht über eine Phase des Kennenlernens, eigentlich also über eine lange Reihe von Prüfungen, durch die wir die Fähigkeiten eines zukünftigen Partners in Sachen Elternschaft, Beziehung und Gene sehr genau beurteilen?
Die Antwort ist sehr einfach: Unsinn! Auch wir verlassen uns auf ebenso beliebige Signale wie der Wida mit seinem Schwanz und der Laubenvogel mit seinem Kamm. Zu unseren Signalen zählen Gesichter, Düfte, Haarfarben, der Bart der Männer und die Brust der Frauen. Wieso sollten solche Merkmale als Grundlage für die Wahl des Ehepartners – des wichtigsten Menschen in unserem Erwachsenenleben, unseres Sozial- und Wirtschaftspartners, des anderen Elternteils unserer Kinder – weniger lächerlich sein als ein langer Schwanz? Wenn wir glauben, wir hätten ein betrugssicheres Signalsystem, warum greifen dann so viele Menschen zu Make-up, gefärbten Haaren und Brustvergrößerung?Und was unsere angeblich so weise, sorgfältige Auswahl angeht: Wie wir alle wissen, spüren wir in einem Raum voller unbekannter Menschen sehr schnell, wer uns körperlich anzieht und wer nicht. Dieses schnelle Gefühl orientiert sich am Sex-Appeal, das heißt schlicht an der Gesamtheit aller körperlichen Merkmale, auf die wir – vorwiegend unbewußt – ansprechen. Die hohe Scheidungsrate, die in den USA bei rund 50 Prozent liegt, zeigt, daß wir uns bei der Hälfte unserer Bemühungen für die Partnerwahl den Fehlschlag eingestehen. Albatrosse und viele andere Tiere mit Paarbindungen haben eine viel niedrigere »Scheidungsrate«. Soviel zu unserer Klugheit und der Tiere Dummheit! Tatsächlich haben sich bei uns wie bei anderen Tierarten zahlreiche körperliche Merkmale entwickelt, die Auskunft über Alter, Geschlecht, Fortpflanzungsfähigkeit und individuelle Qualitäten geben, und ebenso verfügen wir über programmierte Reaktionen auf diese Merkmale. Das Erreichen der Fortpflanzungsfähigkeit wird bei beiden Geschlechtern durch das Wachstum von Scham- und Achselbehaarung signalisiert. Bei Männern kommen als weitere Anzeichen das Wachstum von Bart und Körperbehaarung sowie eine tiefere Stimmlage hinzu. Wie die Episode am Anfang dieses Kapitels zeigt, fällt unsere Reaktion auf solche Signale unter Umständen ebenso gezielt und heftig aus wie die des Möwenjungen auf den roten Schnabelfleck der Eltern. Bei Frauen wird die Geschlechtsreife zusätzlich durch das Wachstum der Brust signalisiert. Später im Leben signalisieren wir die schwindende Fruchtbarkeit und (in traditionellen Kulturen) den Status des weisen Alten mit weißen Haaren. Den Anblick von Muskeln (im richtigen Umfang am richtigen Ort) nehmen wir als Signal für männliche körperliche Kondition und den Anblick von Körperfett (ebenfalls im richtigen Umfang am richtigen Ort) als weibliche Form. Zu den Signalen, aufgrund derer wir unsere Ehe- und Sexualpartner auswählen, gehören alle Zeichen der Geschlechtsreife und guter körperlicher Kondition, wobei sich die Signale, die das eine Geschlecht besitzt und das andere bevorzugt, zwischen den einzelnen menschlichen Populationen unterscheiden.
So sind beispielsweise Bartwuchs und Körperbehaarung bei den Männern auf der Erde von unterschiedlicher Üppigkeit, und bei den Frauen gibt es im geographischen Vergleich Variationen in der Größe und Form von Brust, Brustwarzen sowie in der Farbe der Warzen. Alle diese Merkmale dienen wie die roten Flecken und schwarzen Streifen der Vögel als Signale. Die weibliche Brust erfüllt darüber hinaus auch eine physiologische Aufgabe, und ich werde mich später in diesem Kapitel mit der Frage befassen, ob der Penis eine ähnliche Doppelfunktion hat.
Wenn Wissenschaftler die entsprechenden Signale der Tiere untersuchen wollen, machen sie Experimente. Unter anderem bringen sie dabei Veränderungen an den Merkmalen an – sie stutzen zum Beispiel den Schwanz der Widas oder übermalen den roten Fleck der Möwen. Solche kontrollierten Experimente an Menschen verbieten sich uns durch Gesetze, moralische Hemmungen und ethische Überlegungen. An der Aufklärung der menschlichen Signale hindern uns außerdem unsere starken Gefühle, die unsere Objektivität in dieser Frage trüben, sowie das Ausmaß der kulturellen und individuell gelernten Unterschiede hinsichtlich unserer Vorlieben und der selbst vorgenommenen Veränderungen an unserem Körper. Aber solche Unterschiede und eigenen Abwandlungen können zu unserem Wissen beitragen, denn sie sind
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