Warum Sex Spass macht
so, den halbverdauten Mageninhalt hochzuwürgen und das Junge damit zu füttern. Das Picken am Schnabel regt den Elternvogel zum Hochwürgen an, aber wenn das Junge vor einem hellen Hintergrund auf einem länglichen Gegenstand einen roten Fleck sieht, wird es zum Pikken angeregt. Ein künstlicher Schnabel mit einem roten Fleck erhält viermal so viele Schnabelhiebe wie ein Schnabel, dem der Fleck fehlt, und ein Fleck in jeder anderen Farbe bekommt halb so viele wie die natürliche Version. Als letztes Beispiel möchte ich die europäische Kohlmeise nennen. Sie hat auf der Brust einen schwarzen Streifen, der als Signal des sozialen Status dient. In Experimenten mit ferngesteuerten, motorbetriebenen Meisenattrappen an den Futterplätzen hat sich gezeigt, daß echte Meisen, die den Futterplatz anfliegen, sich zurückziehen, wenn der Streifen auf der Attrappe breiter ist als der eigene.
Man muß sich fragen, warum die Tiere auf der Erde sich so entwickelt haben, daß etwas scheinbar Beliebiges – die Länge eines Schwanzes, die Farbe eines Schnabelflecks oder die Breite eines Streifens – derart starke Verhaltensreaktionen hervorruft. Warum zieht sich eine ausgewachsene Kohlmeise vom Futter zurück, nur weil sie einen anderen Vogel mit geringfügig breiterem Streifen sieht? Was hat ein breiter schwarzer Streifen an sich, daß er eine so beängstigende Stärke ausdrückt? Man könnte auf die Idee kommen, daß eine ansonsten unterlegene Kohlmeise sich mit einem Gen für einen breiten Streifen eine unverdiente soziale Stellung verschaffen könnte. Warum wird diese Art der Täuschung nicht so häufig, daß das Signal seine Bedeutung verliert?
Solche Fragen sind noch ungelöst und werden unter Zoologen heftig diskutiert, unter anderem weil die Antwort in bezug auf verschiedene Signale und Tierarten unterschiedlich ist. Betrachten wir einmal die sexuellen Körpersignale, das heißt jene Strukturen, die nur bei einem Geschlecht einer Spezies vorhanden sind und dazu dienen, Partner des anderen Geschlechts anzulocken oder gleichgeschlechtliche Rivalen zu beeindrucken. Zu ihrer Erklärung gibt es drei miteinander konkurrierende Theorien.
Die erste Theorie geht auf den britischen Genetiker Sir Ronald Fisher zurück und wird als Modell der Ausreißerselektion bezeichnet. Frauen und auch die Weibchen aller anderen Tierarten stehen vor dem Dilemma, daß sie sich einen Paarungspartner auswählen müssen, und zwar möglichst einen mit guten Genen, die er den Nachkommen des Weibchens mitgibt. Das ist, wie jede Frau bestätigen kann, eine schwierige Aufgabe, denn Frauen können die Qualität der Gene eines Mannes nicht unmittelbar beurteilen. Angenommen, eine Frau fühlt sich aufgrund ihrer genetischen Programmierung sexuell zu Männern hingezogen, die aufgrund irgendeines Merkmals geringfügig bessere Überlebenschancen haben als ihre Geschlechtsgenossen. Diese Männer mit der bevorzugten Eigenschaft hätten noch einen weiteren Vorteil: Sie würden mehr Partnerinnen anziehen und ihre Gene deshalb an mehr Nachkommen weitergeben. Und Weibchen, die Männchen mit diesem Merkmal bevorzugen, sind ebenfalls im Vorteil: Ihre Söhne erhalten das Gen für die fragliche Eigenschaft, so daß diese wiederum von den Weibchen bevorzugt werden. Nun folgt der Prozeß der Ausreißerselektion; er begünstigt Männchen, durch deren Gene die Größe des Merkmals immer stärker übertrieben wird, und auch diejenigen Weibchen, die aufgrund ihrer Gene dieses übertriebene Merkmal bevorzugen. Das Merkmal wird von Generation zu Generation immer größer oder auffälliger, bis es seinen ursprünglichen geringfügigen Nutzen für das Überleben verliert. Ein etwas längerer Schwanz zum Beispiel mag zum Fliegen nützlich sein, aber der riesige Schwanz eines Pfauenmännchens ist dazu sicher nur schlecht zu gebrauchen. Zum Stillstand kommt die Ausreißerselektion nur, wenn die weitere Übertreibung des Merkmals das Überleben beeinträchtigt.
Eine zweite Theorie formulierte der israelische Zoologe Amotz Zahavi. Danach sind viele Körperteile, die als Sexualsignale dienen, so groß und auffällig, daß sie die Überlebensfähigkeit ihres Besitzers vermindern. Der Schwanz eines Pfaus oder Widas zum Beispiel trägt nicht nur nicht zum Überleben bei, sondern er macht das Leben im Gegenteil sogar schwieriger. Mit einem schweren, langen Schwanz ist es für den Vogel kaum möglich, sich durch eine dichte Vegetation zu schlängeln, sich in die Luft zu erheben und in
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