Warum so scheu, MyLady
empfehle Ihnen, den Wunsch der Dame zu erfüllen.”
Erschrocken gehorchte Blanton und fuhr herum. Als er den Marquess erkannte, kniff er die Augen zusammen. “Warum mischen Sie sich in eine private Unterredung ein, Sir?”
“Für solche Gespräche sollten Sie einen anderen Ort und Zeitpunkt wählen.” Er warf einen kurzen Blick auf Sarah, die zitternd ihre Arme vor der Brust verschränkte, um ihr zerrissenes Kleid zu verbergen. Anscheinend fühlte sie sich elend, und er bezähmte seinen Zorn nur mühsam. “Aber ich fürchte, Miss Chandler würde Ihre Konversation auch anderswo nicht sonderlich schätzen.”
“Was meinen Sie damit?”, stieß Blanton erbost hervor.
“Ist das nicht offensichtlich? Miss Chandler wollte gehen, und Sie versuchten Sie gewaltsam zurückzuhalten.”
“Keineswegs.” Blanton rückte seine Krawatte zurecht. “Außerdem ist sie meine Verlobte.”
“O nein!”, protestierte Sarah.
“Nun, Sie werden mich wohl oder übel heiraten müssen. Sonst wäre Ihr Ruf gefährdet. Huntington hat Sie in meinen Armen gesehen.”
“Deshalb müssen Sie keine so drastischen Maßnahmen ergreifen”, erklärte Devon verächtlich. “Ich werde Stillschweigen bewahren.”
“Warum sollte ich Ihnen trauen? Sie hassen die Chandlers, und Sie könnten grausame Rache üben, indem Sie den Ruf dieser jungen Dame ruinieren. Damit würden Sie der ganzen Familie schaden.”
“Auf diese Weise würde ich mich niemals rächen. Und jetzt sollten Sie ins Haus zurückkehren. Oder wollen Sie mich morgen bei Tagesanbruch zum Duell treffen?”
Erschrocken zuckte Blanton zusammen. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und lief zur Veranda.
Devon musterte Sarah, die reglos dastand, als hätte sie einen Schock erlitten. “Alles in Ordnung?”
“Ja.”
Einerseits wollte er sie schütteln, andererseits tröstend in die Arme nehmen. Dieser unerwartete Gedanke irritierte ihn. “Was zum Teufel haben Sie hier draußen mit Blanton gemacht?”
“Aber ich bin nicht mit ihm hierher gekommen. Er … er ist mir gefolgt.”
“Für eine junge Dame ist es höchst unschicklich, allein durch einen nächtlichen Garten zu wandern. Wissen Sie das nicht? Oder haben Sie versucht, Blanton zu ermutigen?”
Mit dieser Frage schien er sie aus ihrer Trance zu reißen. “Natürlich nicht! Ich wollte einfach nur ein paar Minuten allein sein. Und plötzlich stand er da … Wahrscheinlich war es
mein
Fehler … Entschuldigen Sie mich jetzt.” Das Oberteil ihres Kleids immer noch an sich gepresst, ging sie an ihm vorbei.
“Warten Sie, Miss Chandler!” Verwirrt drehte sie sich um. “Wie schlimm sieht der Riss in Ihrem Kleid aus?”
“Nicht so tragisch. Nur eine Rüsche ist ein bisschen ramponiert. Diesen Schaden kann man mit Nadel und Faden leicht beheben.”
“So können Sie nicht in den Ballsaal gehen.”
“Was bleibt mir denn anderes übrig? Wenigstens sitzen sie schon alle an der Dinnertafel.”
Devon zeigte auf Sarahs Brosche. “Könnten Sie den Riss damit zusammenhalten?”
“Ja – vielleicht …” Mit bebenden Fingern versuchte sie die Schließe der Brosche zu öffnen, ohne Erfolg.
“Lassen Sie mich das machen.” Seine Hand streifte ihren Busen, und sie erstarrte. Plötzlich waren seine Finger genauso ungeschickt wie ihre, und es fiel ihm schwer, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Sarah duftete viel zu süß, und da sie sich anscheinend bemühte, keine Luft zu holen, nahm sie auch ihm den Atem.
“Sir … jetzt … jetzt sollte ich hineingehen”, stammelte sie.
“Gleich …” Als er die Nadel aus der dünnen Seide zog, hörte er einen schrillen Schrei hinter sich.
“Oh, mein Gott!”
Die Brosche in der Hand, drehte er sich um. Lady Henslowe stand auf dem Gartenweg und griff sich an die Kehle. Sogar im schwachen Mondlicht sah er, wie alles Blut aus ihren Wangen wich. Und über ihrer Schulter nahm Lord Henslowes normalerweise sanftes Gesicht mörderische Züge an.
“Verdammt”, murmelte Devon. Offenbar plante das Schicksal, ihn für jede einzelne seiner zahlreichen Sünden zu bestrafen.
2. KAPITEL
S elbst wenn Sarah hundert Jahre alt werden sollte, würde sie Lord und Lady Henslowes schreckensbleiche Gesichter niemals vergessen. Sie schloss die Augen und hoffte inständig, sie würde im Erdboden versinken oder auf der Stelle sterben.
Weder das eine noch das andere geschah. Widerstrebend hob sie die Lider und sah Lord Henslowe auf Huntington zugehen. “Sir, ich nehme an, wir haben eine
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