Warum so scheu, MyLady
kühlen Augen erschien ein warnender Ausdruck, und Sarah wich zurück.
“O Gott …”
Offenbar war das die falsche Antwort. “Sind Sie nicht erfreut?”, fragte Lady Beatrice in scharfem Ton.
“Sicher ist sie nur überrascht. Mir ging’s genauso.” Huntington trat an Sarahs Seite. “Natürlich hatten wir nie erwartet, Lord Monteville würde unserer Heirat so schnell zustimmen.” Er legte eine Hand auf Sarahs Schulter, und seine Finger übten einen sanften Druck aus, als wollte er sie zum Schweigen ermahnen. “Jetzt würde ich gern allein mit Miss Chandler sprechen.”
“Eine gute Idee.” Monteville ging um seinen Schreibtisch herum. “Kommen Sie, Lady Beatrice, ziehen wir uns in den Salon zurück.” Als er ihr die Tür aufhielt, musste sie ihm wohl oder übel folgen. Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um.
“Hoffentlich wird sich die Szene von gestern Abend nicht wiederholen. Vor der Hochzeit sollte man sich solche Freiheiten nicht herausnehmen.” Drohend starrte sie Sarah an und schien zu erwarten, die junge Dame würde sich Huntington an den Hals werfen, sobald die Tür ins Schloss gefallen war.
“Keine Bange, Tante Beatrice”, erwiderte Huntington trocken. “Miss Chandler wird nichts zustoßen. Vor dem Dinner pflege ich keine Damen zu verführen.”
“Das ist der falsche Zeitpunkt und auch kein geeigneter Ort für schlechte Scherze”, tadelte sie und verließ hinter Lord Monteville das Zimmer. Aber sie ließ die Tür offen, die Huntington energisch schloss. Dann lehnte er sich dagegen, als erwarte er, Sarah würde die Flucht ergreifen.
“Würden Sie mir bitte erklären, was hier vorgeht, Sir?” Obwohl Sarah glaubte, sie wäre in einen sonderbaren, völlig sinnlosen Traum geraten, klang ihre Stimme ruhig und gefasst.
“Allem Anschein nach sind wir verlobt, Miss Chandler”, antwortete er ebenso kühl. “Und verliebt.”
“Verliebt? Wie lächerlich …”
“Leider fiel mir keine andere Erklärung für das Debakel am letzten Abend ein – insbesondere nachdem meine Tante behauptete, Sie hätten mich zu betören versucht.”
“
Was?”
Der Albtraum wurde immer bizarrer.
“Komisch, nicht wahr?” Huntington lachte kurz auf. “Ihre Familie glaubt, ich hätte
Sie
zu verführen versucht, meine hält
mich
für das Opfer
Ihres
Charmes.”
“Wie … merkwürdig.”
“So könnte man’s nennen. Um das drohende Gewitter abzuwehren, erklärte ich, wir wären schon vor langer Zeit in geheimer, hoffnungsloser Leidenschaft füreinander entbrannt. Als wir uns gestern Abend zufällig im Garten trafen, sei unsere Vernunft von heftigen Gefühlen besiegt worden. Unglücklicherweise bestand meine Tante darauf, mich hierher zu begleiten. Aber Ihr Großvater stellte keine Fragen und spielte in meinem kleinen Drama mit. Und Sie, meine liebe Miss Chandler, haben darauf verzichtet, in Ohnmacht zu fallen oder schreiend aus dem Zimmer zu laufen. Dafür muss ich Ihnen ein Kompliment machen.”
“So albern würde ich mich nie benehmen. Und wie lange müssen wir vorgeben, wir wären verlobt, Lord Huntington?”
“Vorgeben?” Seine Stimme nahm einen scharfen Klang an. “Selbstverständlich werden wir heiraten, sobald ich die Lizenz erhalte.”
Als er auf sie zuging, schreckte sie zurück. “Nein! Das will ich nicht!”
“Bedauerlicherweise haben wir keine Wahl. Sonst wäre Ihr Ruf ruiniert.”
“Und wenn schon! Was die Leute sagen, ist mir egal.” Dann würde sie eben bei Großtante Charlotte in Northumberland leben, die dauernd andeutete, sie würde eine Gesellschafterin brauchen. Zweifellos wäre das einer Ehe mit einem Mann vorzuziehen, der sie verabscheute.
“Aber
mir
nicht. So etwas werde ich nicht auf mein Gewissen laden. Mit meinem Namen verbinden sich schon genug Skandale – auch ohne dass man behauptet, ich hätte Sie zu verführen versucht, um Rache zu üben.”
“Niemand käme auf solche Gedanken.”
“Da täuschen Sie sich. Man denkt es bereits.”
“Wieso? Das ist einfach nicht fair.” Verzweifelt schlang sie die Hände ineinander. “Was haben Sie meinem Großvater erzählt? Wenn er wüsste, was wirklich geschah – dass Mr. Blanton …”
“Dass Sie in den Garten gingen und von Blanton überfallen wurden? Sollte sich das herumsprechen, wird man sich fragen, warum sich eine junge Dame innerhalb weniger Minuten von
zwei
Männern attackieren lässt. Man wird mich einen Feigling nennen, der Blanton die ganze Schuld in die Schuhe schiebt. Außerdem muss ich
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