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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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gleichgültig, ich will weiterschlafen. Aber ich bin chancenlos. Erneut fliegen die zwei Hubschrauber so niedrig über unser Haus, dass an friedlichen Schlaf nicht mehr zu denken ist. Welch gnadenloser Weckdienst! Müde schlurfe ich zur Gemeinschaftsdusche und stelle mich minutenlang unter den noch immer warmen Strahl. Abu Saeed, der gesehen hat, dass ich Schwierigkeiten habe, meine Augen aufzubekommen, reicht mir einen großen Becher schwarzen Kaffee. Langsam kehren meine Lebensgeister zurück.
    Abu Saeed bringt mir selbst gebackene Brotfladen und selbst gemachte Marmelade. Dankbar esse und trinke ich vor mich hin. Dann versuche ich, mich vor einem halbblinden Spiegel so zu rasieren, dass mein Oberlippenbart nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Ich bin dankbar, dass der Spiegel mein Gesicht nur schemenhaft zeigt. Die Strapazen langer Reisen und kurzer Nächte stehen nur wenigen Menschen gut.
    Danach setze ich mich in eine schattige Ecke des Gartens und mache mir Notizen. Plötzlich klopft mir jemand von hinten auf die Schulter. Ich drehe mich um und sehe in das Gesicht von Zaid. »Sie wollten mich sprechen«, sagt er leise und etwas verlegen.
    Zaid trägt blaue Jeans, ein verwaschenes rotes T-Shirt und imitierte Adidas-Turnschuhe. In der linken Hand hält er verdeckt, fast wie ein Schuljunge, eine Packung Gauloises syrischer Produktion. Als Al-Qaida noch in Ramadi wütete, war Rauchen verpönt und gefährlich.
    Zaid ist um sechs Uhr in seinem Viertel Al-Sufia aufgebrochen. Früher benötigte man von dort nach Al-Dschasira fünfzehn Minuten. Jetzt braucht man, mit all den Straßensperren und Kontrollen, zweieinhalb Stunden.
Zaid hat mit seinem Vater gesprochen. Er hat ihm erlaubt, mir seine Geschichte zu erzählen. Langsam und leise beginnt Zaid seinen Bericht.
    Er kam 1986 während des irakisch-iranischen Kriegs zur Welt. Sein Vater Mohammed und seine Mutter Amira besitzen in Al-Sufia ein kleines Lebensmittelgeschäft. Sie brachten die Familie einigermaßen gut durch die schweren Kriegsjahre und die Zeit der Sanktionen. Zu essen gab es immer etwas, und wenn es nur Brot war.
    Nach dem Zweiten Golfkrieg, den der Irak 1991 nach seinem Angriff auf Kuwait gegen eine von den USA geführte multinationale Streitmacht verlor, wurden die Zeiten härter. Die Wirtschaftssanktionen lasteten schwer auf der Familie. Nur selten konnten seine Eltern Gemüse oder Fleisch für die siebenköpfige Familie ergattern.
    Die Eltern litten nach Zaids Erinnerung viel mehr als ihre drei Söhne und zwei Töchter. Wenn sie etwas Gutes zu essen auftreiben konnten, gaben sie es ihren Kindern. Sie mussten jetzt doppelt so hart arbeiten wie früher, um die Familie über Wasser zu halten. Zaid erzählt, dass in der Nachbarschaft mehrfach Kleinkinder gestorben seien, weil aufgrund der Sanktionen des UN-Sicherheitsrats die medizinische Versorgung des Landes zusammengebrochen und auch die Ernährung miserabel war.
    Er hat nicht viele gute Erinnerungen an diese Zeit. Mit seinen Freunden nutzte er jede freie Minute, um auf einem nahe gelegenen Bolzplatz Fußball zu spielen. Barfuß natürlich. Häufig sei er mit blutenden Zehen nach Hause gekommen.
    Wenn sein Vater schimpfen wollte, weil er wieder einmal seine Hausaufgaben vernachlässigt hatte, habe er sich einfach hinter dem Rücken seiner Mutter versteckt. Die habe ihn stets in Schutz genommen.
    Auch nach seinen Streichen in der Schule, von denen
Zaid mit leuchtenden Augen berichtet, habe ihn seine Mutter vor dem strengen Vater stets beschützt, egal, was er angestellt hatte. Und er stellte häufig etwas an.
    Einmal schrieb seine Klasse eine Englischprüfung. Er hatte auf seinem Notizbuch, das neben ihm lag, einige englische Vokabeln aufgeschrieben, die mit der Klassenarbeit aber angeblich nichts zu tun hatten. Sein Lehrer glaubte, dass er mogeln wollte, und schickte ihn trotz heftigen Protests aus der Klasse.
    Zaid war stocksauer, vor allem aber langweilte er sich allein auf dem Schulhof. Da kam ihm ein, wie er meinte, genialer Gedanke. Er ging in die Klasse zurück und sagte dem Lehrer, er sei nicht der Einzige, der gemogelt habe. Sieben seiner Kumpels hätten auch geschummelt. Dann zeigte er auf die sieben besten Fußballspieler der Klasse, mit denen er abends immer kickte.
    Die sieben verließen schimpfend den Raum. Draußen drohten sie Zaid Prügel an. Der aber sagte ihnen, er habe sie doch nur ausgewählt, um mit ihnen Fußball zu spielen. Ohne sie sei es zu langweilig. Seine Freunde lachten,

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