Warum tötest du, Zaid?
erschüttert gewesen, als sie Mazin sterben sahen.
Das soeben noch freundliche Gesicht Omars wirkt jetzt völlig verschlossen. Er senkt den Kopf und versucht, Fassung zu bewahren. Nach einer Weile bittet er mich, keine Fragen zu seinem Sohn zu stellen. Sie riefen zu bittere Erinnerungen hervor.
Als Omar sich dem Widerstand anschloss, erhielt er von
irakischen Exoffizieren eine »Rundumausbildung«. Heute führt er eine Gruppe von 250 Widerstandskämpfern. Stationiert ist er in Kirkuk und Tikrit.
Sein Vater und einer seiner Brüder säßen seit anderthalb Jahren im Gefängnis. In welchem, wisse er nicht. Das werde den Familien fast nie mitgeteilt. Auch ihn, Omar, hätten die Amerikaner damals festgenommen. Er habe jedoch nach drei Monaten und zehn Tagen fliehen können.
In dem Gefängnis, dessen Namen er mir nicht nennen will, sei er von den amerikanischen Soldaten gut behandelt worden, obwohl er ihnen bei den Verhören offen gesagt habe, Widerstandskämpfer zu sein. Man habe ihn auch nicht gefoltert. Eine Ärztin habe sich sogar um seine Zahnschmerzen gekümmert. Er habe Glück im Unglück gehabt.
Er respektiere die Soldaten, die ihn vernommen hätten, wegen ihrer Menschlichkeit. Er sage das, obwohl er wisse, wie schlimm es in den meisten Gefangenenlagern zugehe. Aber als Besatzer werde er die Amerikaner nie akzeptieren. Selbst einige amerikanische Soldaten hätten ihm eingestanden, dass sie gegen die Besetzung des Irak seien. Sie wüssten, dass sie hier nichts zu suchen hätten.
Seine Familie, die von Landwirtschaft lebt, hat Omar seit Langem nicht mehr gesehen. Es gebe zu viele Spitzel, die mit den Besatzern zusammenarbeiten. Seine Mutter sei vor einem Jahr gestorben. Zu ihrem Begräbnis konnte er nicht gehen, weil er sonst sofort festgenommen worden wäre. Auch seinen Vater habe man nicht zur Beerdigung seiner Frau gelassen.
Omar ist gläubiger Muslim und gleichzeitig Nationalist, baathistischer Nationalist, wie er sagt. Nach dem Chaos und dem Blutbad, das die Invasion verursacht habe, sei das Ansehen der Baathisten wieder gestiegen, erklärt er. Besonders die Haltung Saddam Husseins bei dessen Hinrichtung
habe den Baathisten Auftrieb gegeben. Er sei stolz darauf, wie aufrecht Saddam Hussein in den Tod gegangen sei. Bush habe Saddam zu einem Helden gemacht.
Ich stehe auf, um Omar zu verabschieden. Der mustert mich nachdenklich. Dann sagt er mit großem Ernst, der Widerstand greife nie Journalisten an. Ich erkläre ihm, dass ich kein Journalist sei, sondern Medienmanager. Er lacht und meint, das mache keinen Unterschied. Er betrachte mich trotzdem als Gast seines Landes. Aber die Irakberichterstattung der westlichen Medien finde er enttäuschend.
So sei er erstaunt darüber, dass man keinen Unterschied zwischen dem irakischen Widerstand gegen die Besatzung und dem aus dem Ausland importierten Terrorismus gegen die Zivilbevölkerung mache. Genauso seltsam finde er, dass man dem Widerstand vorwerfe, sich in Wohnvierteln unter Zivilisten zu verbergen. Wo sollten sich Widerstandskämpfer denn sonst aufhalten? Der Widerstand habe nun einmal keine Kasernen. Die Widerstandskämpfer seien Freizeitkämpfer. Tagsüber müssten viele von ihnen arbeiten. Außerdem stehe die Bevölkerung in den meisten Gegenden des Irak geschlossen hinter dem Widerstand.
Dann steht er auf und nimmt meine Hand wieder in den Schraubstock seiner rechten Pranke. Und ich hatte mir doch so fest vorgenommen, diesen Fehler nicht noch einmal zu begehen! Omar sieht, wie ich das Gesicht verziehe und meine rechte Hand schüttle. »Entschuldigung«, sagt er breit lachend. Das nächste Mal nehme er mich einfach in die Arme. Dann wünscht er mir, dass es meinem Land nie so schlecht gehe wie seinem, und kehrt mit seinem Bud-Spencer-Gang zu seinen Gefährten in den Garten zurück.
Mohammed
Meine rechte Hand hat sich noch nicht richtig erholt, da steht ein mittelgroßer, väterlich wirkender älterer Mann vor mir. Der »ältere Mann« ist erst zweiundvierzig Jahre alt, also fünfundzwanzig Jahre jünger als ich. Er trägt eine graue Bügelfaltenhose mit einem kurzärmeligen braunen Hemd. Er sieht sehr würdig aus.
Er stellt sich als Mohammed vor – wahrscheinlich ein Deckname. Aus Sicherheitsgründen gibt bei diesem Treffen wohl niemand seinen wahren Namen preis. Nach einem kurzen Blick auf seine großen Hände verzichte ich auf einen Händedruck. Ich lege meine rechte Hand aufs Herz und verneige mich, so wie es in der arabischen Welt seit
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