Warum tötest du, Zaid?
Widerstand nutze dabei neben den alten Waffen der irakischen Armee dankbar auch moderne amerikanische Waffen, die die USA nach der Invasion großzügig und ohne besondere Kontrollen verteilt hätten, sowie ebenso selbstverständlich iranische Waffen. Die müsse man leider, anders als die meist kostenlosen amerikanischen Waffen, auf dem Schwarzmarkt für teures Geld erwerben.
Die westlichen Medien nähmen allerdings von den zahlreichen militärischen Aktionen des Widerstands kaum Notiz. Noch schlimmer sei jedoch, dass sie die täglichen Gewaltakte der US-Truppen, die Bombardierungen und Razzien fast vollständig verschwiegen. Sie berichteten in der Regel nur von den zwei bis drei meist von Ausländern begangenen Selbstmordanschlägen pro Tag und behaupteten, das sei innerirakische Gewalt. Sie spielten damit das Spiel der amerikanischen Kriegspropaganda bewusst oder unbewusst mit.
»Ihr zeigt im Fernsehen nur den vom Ausland inszenierten
Selbstmordterrorismus, den Terrorismus der Besatzer zeigt ihr nie«, sagt Mohammed leise. Alle arabisch-sprachigen Fernsehsender, die fair über die Brutalitäten der US-Armee und über die Erfolge des irakischen Widerstands gegen die USA berichteten, stünden unter massivem Druck der USA. Der Satellitensender Al-Zawra zum Beispiel sei wegen seiner USA-kritischen Berichte sowohl in Kairo als auch in Bagdad geschlossen worden.
Seit der ersten Schlacht um Falludscha besäßen die meisten Widerstandsgruppen CDs mit Satellitenaufnahmen über die wichtigsten Straßen und Gebäude des Irak. Diese seien für ihre Zielplanung äußerst hilfreich, auch wenn die Aufnahmen manchmal schon etwas älter seien. Laptop und Google Earth seien im digitalen Zeitalter längst Bestandteil des Freiheitskampfs der Iraker.
Laut Mohammed ist der Widerstand bereit, mit den USA über die Beendigung der Besatzung zu verhandeln – auch über gesichtswahrende Zwischenlösungen. Die Verhandlungen müssten zur Wiederherstellung der Souveränität des Irak unter einer wirklich irakischen Regierung, zur Freilassung der vielen tausend Kriegsgefangenen und selbstverständlich auch zur Wiedergutmachung des angerichteten Schadens führen. Schließlich sei auch der Irak nach der Invasion Kuwaits von den Vereinten Nationen zu Reparationen in Milliardenhöhe verurteilt worden. Für die USA könne nichts anderes gelten.
Der Widerstand kämpfe – anders als die von saudischen »Wohltätigkeitsorganisationen« finanzierte Al-Qaida und die oft vom Iran finanzierten radikal-schiitischen Politikermilizen – nicht für einen islamischen Gottesstaat. Aber er trete auch nicht für eine rein säkulare Verfassung ein. Er wolle einen demokratischen Staat, in dem sich alle Iraker wiederfänden. Dieser Staat werde national und, wenn es nach der Baath-Partei gehe, panarabisch ausgerichtet sein.
Er werde selbstverständlich auf den geistigen Grundlagen des Islam beruhen.
Mohammed hat etwas wohlwollend Gelehrtes. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie er Einsätze kommandiert, Pläne über die Positionierung von Straßenbomben festlegt oder seine Leute in den Kampf führt. Ich glaube, er stünde lieber vor seinen Studenten in Bagdad, als in diesem schmutzigen Krieg mit seinen großen menschlichen Tragödien mitzuwirken.
Für Mohammed sind Terroristen Menschen, die aus politischen Gründen Zivilisten töten. Terroristen sind für ihn daher Al-Qaida, die Todesschwadronen gewisser Politiker und auch die amerikanische Regierung. Die Soldaten der US-Regierung hätten im Irak nachweislich Hunderttausende von Zivilisten getötet, mehr als Al-Qaida und alle Milizen zusammen. »Gegen diesen Terrorismus kämpfen wir.« Für ihn sei es ein sonderbares Phänomen, dass ausgerechnet die US-Administration, die jeden Tag Zivilisten ermorden lasse, den irakischen Widerstand terroristisch nenne, obwohl dieser keine Zivilisten töte.
Die jungen amerikanischen Soldaten nimmt Mohammed von seinem Terrorismusvorwurf ausdrücklich aus. Sie seien ebenfalls Opfer dieses Krieges – auch wenn er sie als Widerstandskämpfer militärisch bekämpfen müsse. Der amerikanische Präsident stehle nicht nur den jungen Irakern, sondern auch den jungen amerikanischen Soldaten ihre Jugend. Er, Mohammed, wisse, dass Amerika nicht nur fast 4000 tote Soldaten zu beklagen habe, sondern auch über 30 000 Schwerverwundete. Über die verletzten amerikanischen Soldaten aber werde in den USA genauso wenig gesprochen wie über die verletzten Iraker.
Mohammed ist sehr ernst
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