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Warum tötest du, Zaid?

Warum tötest du, Zaid?

Titel: Warum tötest du, Zaid? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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erzählt weiter. Er möchte die Geschichte jetzt hinter sich bringen.
    Doch immer wieder zittern seine Lippen, fährt er sich mit beiden Händen durch die dichten Haare. Die Wunden in seinem Herzen, die Karims Tod vor sieben Monaten gerissen haben, sind noch längst nicht verheilt.
    Mit dem Feuerwehrauto fährt Zaids Familie Karim zu einer Moschee. Dort spricht sie die im Islam vorgeschriebenen Totengebete und bestattet ihn um die Mittagszeit. Leer und niedergeschlagen gehen alle gemeinsam nach Hause. Die Schritte von Zaids Vater sind schleppend. Er ist in dieser Nacht um Jahre gealtert.
    Zaids Familie konnte Karim nicht neben Haroun beerdigen.
Die Ausgehvorschriften der Besatzungsmacht erlaubten es nicht, in das Viertel zu fahren, in dem Haroun begraben liegt. Die Regeln sind strikt. Auf Sonderwünsche wird keine Rücksicht genommen.
    Nicht nur seinen Vater hat diese Nacht des 5. Januar 2007 verändert. Auch Zaid ist ein anderer geworden. Nach dem Tod seines kleinen Bruders wird ihm klar – so erzählt er leise –, dass er sich nicht mehr damit begnügen kann, den Widerstand passiv zu unterstützen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass er mehr tun muss – so wie die meisten seiner Freunde.
    Die Zahl der Toten in Ramadi geht inzwischen in die Tausende, fast jede Familie hat Opfer zu beklagen. »Wissen Sie, dass man in Ramadi die Fußballplätze in Friedhöfe umgewandelt hat, weil es auf den ausgewiesenen Friedhöfen nicht mehr genügend Platz für die Toten gibt?«, fragt er mich.
    Zaid verachtet Al-Qaida, die in Ramadi nicht nur Amerikaner, sondern alle, die sich ihr widersetzen, kleine Leute und Stammesfürsten, Ärzte, Ingenieure und Arbeiter brutal bekämpft. So kommen für ihn nur die gemäßigten islamischen Widerstandsbewegungen, unabhängige nationalistische Organisationen oder der baathistische Widerstand in Frage. Zaid schwankt lange, er hat keine besondere Vorliebe für irgendeine Gruppe. Er weiß nur, dass er etwas tun muss.
    Im Zentrum des Widerstands
    Abu Saeed hat die letzten Minuten schweigend hinter uns gestanden. »Wir müssen los«, mahnt er, »wir bekommen sonst Schwierigkeiten. Außerdem haben wir noch einiges vor.« Es ist 9.30 Uhr.

    Ich packe meine Sachen zusammen und werfe sie ins Auto. Auch Zaid kommt mit. Auf Bitten von Abu Saeed habe ich meinen Kopf mit der Ghotra, der typischen arabischen Kopfbedeckung, und dem schwarzen Oghal – das sind dicke schwarze Zierkordeln – bedeckt.
    Über holprige Wege und löchrige Straßen geht es Richtung Stadtzentrum. Wir passieren zahllose Kontrollposten. In meiner arabischen Bekleidung, im verdunkelten Fond des Chevrolet sitzend, falle ich niemandem auf. Auch mein sorgsam gepflegter Oberlippenbart, der mich allerdings zunehmend kitzelt, ist heute sehr hilfreich.
    In der Nähe der für Autos gesperrten Innenstadt, dort, wo Menschen und Güter in kleine bunte Dreiräder, sogenannte Tartorahs, umgeladen werden müssen, biegt Musa in eine kleine Seitenstraße ein, in der einzelne villenartige Häuser stehen. Als er vor einem von ihnen hält, öffnet sich wie von Wunderhand das große Gartentor und schließt sich sofort wieder hinter uns.
    Mehrere würdig aussehende Männer zwischen vierzig und sechzig Jahren empfangen mich am Hauseingang. Sie sind, ähnlich wie ich, in weiße arabische Dishdashas mit weißen Ghotras und schwarzen Oghals gekleidet.
    Abu Saeed flüstert mir zu, dass sie zur obersten Führung des Widerstands der Wüstenprovinz Anbar gehörten. Der Älteste von ihnen, Abu Bassim, war früher Vier-Sterne-General. Wer von den fünf Männern der oberste Befehlshaber sei, sagt Abu Saeed mir nicht. Das müsse ich selbst herausfinden. Abu Bassim tritt nur als Gastgeber auf.
    Wir gehen in einen kühlen Raum, dessen Klimaanlage durch einen hauseigenen Generator betrieben wird. Sie funktioniert so gut, dass ich fast friere. Abu Bassim, der wie seine Kollegen aus Sicherheitsgründen alle paar Wochen seinen Wohnsitz wechselt, führt mich zu einem Sessel neben
der Klimaanlage. Die Vorhänge sind wegen der Sonne, vielleicht aber auch aus Sicherheitsgründen geschlossen.
    Als sich meine Augen an das schummrige Licht gewöhnt haben, sehe ich an der Stirnseite des Raumes auf einer schlichten Liege einen etwa dreißigjährigen Mann mit bulligem Kopf und Stoppelhaaren. Ich setze mich zu ihm. Er heißt Samir und ist querschnittsgelähmt. Während sich die Chefs des Widerstands der Provinz Anbar leise mit Abu Saeed unterhalten, erzählt mir Samir, wie es zu seiner

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