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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Serge. »Ist alles in Ordnung mit ihm? Lebt der Junge?«
    Niemand antwortete.
    Serge dachte an Tinos Kinder und fiel auf die Knie, ohne dass er wusste, wie ihm geschah. Er hatte seit Jahren nicht mehr gebetet, aber er erinnerte sich an die Worte. Er kannte sie in- und auswendig: Vater unser  …
    Als er fertig war, langte er unter sein Bett. Er zog die Schachtel mit Papier und Kugelschreibern heraus und legte ein Blatt vor sich hin. Die leere Seite erschreckte ihn, er hatte Angst, ihm könnten die Worte fehlen, um zum Ausdruck zu bringen, was er zu sagen hatte.
    Der Duft der Kiefern war stärker als der Gefängnisgeruch und er dachte an einen kleinen Jungen und einen grünen See, an uralte Hügel und verschlungene Pfade. Er dachte an schwarzes Eis und Eishockeyschläger, und er dachte an Martin.
    Es war die ultimative Niederlage, im siebten Spiel der Meisterschaften in den Playoffs zu verlieren, und sich den Puck von der Schaufel stehlen zu lassen. Doch andrerseits, was bedeutete der Sieg? Serge hatte den Cup dreimal in seinem Leben geholt, hatte ihn auf dem Tisch in seinem eigenen Haus stehen sehen, hatte mit dem glänzenden Wanderpokal neben seinem Bett geschlafen. Aber was für eine Rolle spielte das heute?
    Es waren andere Dinge, die zählten: In der Schachtel unter dem Bett befand sich ein Bild von Natalie, ein Bild von Martin und das verwischte Foto aus der Zeitung von May und Kylie. Serge breitete sie auf dem zerwühlten Bett vor sich aus. Noch immer auf den Knien, dachte er an Tino und seine Kinder. Er räusperte sich, als wollte er sprechen statt zu schreiben. Dann fing er an:
    »Lieber Martin …«
    Die Worte erschienen auf dem blauen Papier, das vor ihm lag, obwohl Serge geschworen hätte, dass er sich nicht erinnerte, den Stift in die Hand genommen zu haben.

21
    M artin hatte sich einverstanden erklärt, bei einem Schaukampf mitzumachen und, gemeinsam mit Ray, ein zweitägiges Eishockey-Nachwuchstraining in Toronto zu leiten. Sie wurden von ihren Familien begleitet, und die Cartiers und die Gardners hatten aneinander grenzende Suiten im prachtvollen, eleganten King Edward Hotel gebucht.
    »Was könnte sie gemeint haben mit ›Es wird etwas passieren‹?«, fragte May und sah zu Martin hinüber, als sie ihre Reisetaschen packten.
    »Ich glaube, sie hat nur geträumt. Sprich mit den Ärzten von der Twigg University, damit sie dir sagen, dass es ihr gut geht und du beruhigt sein kannst.«
    »Ich hatte gehofft, jetzt wäre endlich Ruhe.« May überprüfte, ob sie das Tagebuch in ihre Handtasche gesteckt hatte. »Ich hatte Dr. Whitpen in dem Brief geschrieben, dass ich diesen Sommer keinen Besuch bei ihm geplant habe.«
    Sie blickte aus dem Fenster, auf den See hinaus. Martin war hinter sie getreten und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Es tut mir Leid. Ich kann es einfach nicht ertragen, dass es ihr schlecht geht und ich nicht weiß, wie ich ihr helfen kann. Sie ist so angespannt. Sie scheint fest überzeugt zu sein, dass etwas Schreckliches passieren wird.«
    »Nichts wird passieren, keine Bange. Wir sind zusammen. Es ist ein herrlicher Sommertag und wir fahren gleich mit unseren Freunden nach Toronto. Wir haben einen harten Winter durchgestanden und jetzt ruhen wir uns aus, hier an unserem See.«
    »Wir sind ja auch nur zwei Tage weg«, sagte May, als ob sie sich selbst damit beruhigen wollte. Martin hielt sie in den Armen. Er roch nach Seife und Rasierwasser. Sie schloss die Augen, ihr Herz klopfte.
    Als sie das Gepäck einluden, wurde May nervös bei dem Gedanken, dass er hinter dem Lenkrad sitzen würde. Was war, wenn er plötzlich nichts mehr sah? Deshalb nahm sie auf dem Fahrersitz Platz und sagte scherzhaft, er sei dazu verdonnert, den stinkenden Thunder auf dem Weg zur Hundepension auf den Schoß zu nehmen. Martin gehorchte lachend. Drei Stunden später, nach einem problemlosen Flug, kamen sie im King Edward Hotel im Zentrum von Toronto an. Das Personal, angefangen vom livrierten Türsteher bis zum Manager, begrüßten Martin wie einen Freund, den man nach langer Zeit wieder sieht, und hießen May und Kylie mit einem Blumenstrauß willkommen.
    »Das King Eddie«, sagte Martin und blickte zu dem herrlichen Kuppelgewölbe in der Lobby empor.
    »Eddie?«, fragte Kylie.
    »So heißt es bei uns in Kanada. Wer hier absteigt, hat eine Schwäche für den alten Kasten.«
    May hörte, wie der Türsteher Kylie eine Nachhilfestunde in kanadischer Geschichte erteilte. Als

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