Was allein das Herz erkennt (German Edition)
Operation, was auch immer.«
»Martin –«
Martin hasste es, zu flehen oder zu betteln, aber er wollte die Situation absolut klarstellen, damit sie verstand. Sie war Eishockeyfan, hatte vermutlich auch schon andere Spieler behandelt. »Ich muss schnell wieder auf dem Damm sein. Unter Umständen habe ich nur noch dieses eine Jahr.«
»Ein Jahr?«
»Um in der Profiliga Eishockey zu spielen.« Seit sich ihm die Zunge gelöst hatte, überstützten sich die Worte geradezu. »Ich werde langsam zu alt für diesen Sport. Verschleißerscheinungen, vor allem an den Gelenken; das passiert eben, wenn man so lange spielt wie ich. May weiß nichts davon, aber eigentlich hatte ich geplant, mich in diesem Jahr aus dem Profisport zurückzuziehen.«
»Sie meinen, nach der nächsten Saison?«, fragte Teddy stirnrunzelnd.
Martin schüttelte den Kopf. »Ich meinte, nach der letzten Saison.«
»Aber Sie haben es nicht getan.«
»Ich konnte nicht. Ich muss erst den Stanley Cup gewinnen.«
»Sie sind ein fantastischer Spieler, Martin. Mit oder ohne –«
Er schüttelte erneut den Kopf. Vielleicht hatte er sie falsch eingeschätzt, vielleicht verstand sie doch nicht, worum es ging. »Der Cup bedeutet mir alles. Ich habe mein ganzes Leben lang gekämpft, um diese Trophäe zu erringen, die größte im Eishockey. Mein Vater hat sie dreimal gewonnen. In den letzten beiden Jahren, seit ich May kenne, war ich so nahe am Ziel. Es war zum Greifen nahe …«
»Ich habe Sie im Fernsehen gesehen.«
»Wenn ich Spiel sieben gewonnen hätte, wäre ich bereits im Ruhestand. Das war mein Plan, aber daraus wurde nichts. Noch ein Jahr, Doktor. Das ist alles, was ich brauche. Ich weiß, dass ich dieses Mal gewinnen kann. Ich werde alles tun, was erforderlich ist, um dieses eine Jahr in der Mannschaft zu bleiben.«
Teddy stand vor ihm, die Arme an den Seiten. Martins Sicht war so getrübt, dass er sie nur schemenhaft wahrnehmen konnte. »Meine Augen werden schlimmer statt besser.« Er zögerte. »Ich wache morgens auf und kann kaum noch etwas sehen.«
»Ich weiß.«
»Helfen Sie mir. Geben Sie mir nur noch eine Chance zu gewinnen –«
»Martin«, sagte sie sanft. »Wir wissen nicht, was bei der heutigen Untersuchung herauskommt. Ich verspreche Ihnen, mein Bestes zu tun, um Ihnen zu helfen, und es ist für eine Ärztin wunderbar zu wissen, dass ihr Patient so willig ist. Sie glauben kaum, wie wichtig so etwas ist.«
»Ich werde alles tun, was Sie verlangen.«
Als sie nicht antwortete, verstummte auch Martin. Sein Gesicht war rot und seine Stimmbänder schmerzten, als hätte er gebrüllt. Er schloss die Augen, riss sich zusammen, so wie bei Spielen, in denen es hart zuging. Die Ärztin würde ihr Bestes tun. Er spürte ihre Hand auf seiner Schulter und blickte hoch, ohne zu blinzeln oder zu lächeln.
»Ich bin bereit.«
Die Untersuchung begann.
Mittels Keratoskopie, einer Methode zur Bestimmung der Hornhautkrümmung, wurden konzentrische Lichtkreise auf die Hornhaut projiziert. Teddy erklärte, dass sie dazu die technisch neueste Ausrüstung benutze, die ein Diagramm selbst der kleinsten Strukturschäden ermögliche. Um die Dicke der Hornhaut und mögliche Schwellungen zu messen, verwendete sie einen so genannten Pachometer.
Martin zwang sich, reglos dazuzusitzen, keinen Muskel zu bewegen. Er konzentrierte sich auf die Untersuchung wie auf einen Drive , als müsste er sich in Geduld üben und den Puck über die ganze Länge des Spielfelds auf das Tor zutreiben.
Es war für ihn das wichtigste Spiel, an dem er jemals teilgenommen hatte, und wenn es überstanden war, würde er es auch im nächsten Frühjahr in die Finals schaffen und eine weitere Chance erhalten, den Cup zu gewinnen. Sein Magen rebellierte, seine Augen brannten und schmerzten.
Teddy erklärte, dass sie nun eine Gonioskopie vornehmen werde, eine Augenkammerwinkelspiegelung, und danach eine Ophthalmoskopie, eine Augenhintergrundspiegelung, um Sehnerv, Netzhaut, Blutgefäße, Aderhaut und einen Teil des Ziliarkörpers zu untersuchen – wo die Sehnen der Linse und die Zellen zusammentrafen, die das Augenkammerwasser ausscheiden.
»Das Auge funktioniert wie eine Kamera«, sagte sie. »Aber eigentlich sehen wir mit dem Gehirn.«
Sie erklärte, dass der vordere Teil des Auges durchlässig sei, so dass Licht durch Hornhaut, Pupille und Linse gelangte. Die Netzhaut funktioniere wie ein Film, nahm die Lichtreize auf. In der Netzhaut lagen die Zapfen und Stäbchen, die das
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