Was allein das Herz erkennt (German Edition)
es mit Tobins genauso gehalten.
May blinzelte, horchte in sich hinein. »Mein Vater«, sagte sie nach einer Weile.
»Er ist nicht da, um auf dich aufzupassen, und ich weiß, dass er Wert darauf gelegt hätte, alles über einen BostonBruins-Spieler zu erfahren, der seiner Tochter schöne Augen macht.«
»Seinetwegen hast du ihm also nachgeschnüffelt.«
Tobin nickte und ließ den letzten Rest Vanilleeis auf ihrer Zunge zergehen. »Und deine Eltern würden auch nicht wollen, dass du mit Eis um den Mund in Black Hall herumfährst, deshalb habe ich getan, was ich tun musste. Wahrscheinlich haben wir uns mit dieser mächtigen Portion Eis den Appetit fürs Abendessen verdorben.«
»Ich verrate dich nicht bei deinen Kindern, wenn du versprichst, mich nicht bei meiner Tochter in die Pfanne zu hauen.«
Die beiden besiegelten den Pakt per Handschlag, stiegen wieder auf ihre Räder und fuhren über die schmalen gewundenen Straßen nach Hause.
*
Fünf Abende später rief er wieder an.
May wurde klar, dass sie dieses Mal darauf gehofft hatte. Sie war lange aufgeblieben, um sich einen Teil des Spiels anzusehen, bevor sie zu Bett ging. Die Bruins hatten gewonnen; sie würden in der Finalrunde gegen die Edmonton Oilers antreten. Der Sportreporter war völlig aus dem Häuschen und May merkte, dass sie nicht minder aufgeregt war. Sie wartete eine Weile und war gerade dabei, einzuschlafen, als sie das Telefon läuten hörte.
»Habe ich Sie aufgeweckt?«
»Nicht ganz. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben den Sprung in die Finals geschafft.«
»Sie wissen es schon?« Er klang erfreut.
»Ja, und außer mir fast ganz Neuengland. Sie sind der Held des Tages.«
Martin lachte und May dachte, sie hätte Stimmen im Hintergrund gehört.
»Sind Sie in Begleitung?«
»Ja. Ich bin mit meiner Mannschaft beisammen. Wir wollen in ein Restaurant, um zu feiern.«
May stellte sich die glücklichen Eishockeyspieler vor, umringt von schönen Frauen wie das blonde Gift im Flugzeug, und sie dachte daran, dass Tobin gesagt hatte, er sei der begehrteste Junggeselle in der NHL. Sie war verrückt, überhaupt nur an irgendetwas zu denken. Martin und sie gehörten zwei völlig verschiedenen Welten an. Er war reich und berühmt und konnte jede Frau haben, die er begehrte.
»Und was machen Sie noch?«, fragte er.
»Ins Bett gehen.«
»Warum kommen Sie nicht nach New York? Die Fahrt dauert nur zwei Stunden. Sie könnten den nächsten Zug nehmen und um Mitternacht hier sein.«
May lachte nervös. Es klang, als sei der Vorschlag ernst gemeint, aber sie wusste, dass er einen Witz machte.
»Ich würde mich wirklich freuen.«
»Mein Abendkleid ist nicht gebügelt«, sagte sie scherzhaft. »Und meine Tochter schläft tief und fest.«
»Wie geht es Kylie?«
»Großartig.«
May hörte, wie jemand Martins Namen rief, als er hastig die Hand über die Muschel legte. Fetzen einer gedämpften Unterhaltung drangen an ihr Ohr, es ging um eine Limousine, Freunde, ein Restaurant unweit der East Twentieth Street.
»Sie müssen los«, sagte sie, als er sich zurückmeldete.
»Die warten schon auf mich.«
»Ja.« Ihr Herz klopfte.
»Hatten Sie jemals das Gefühl, dass etwas vorbestimmt ist?«, fragte er.
»Was denn?«
»Ich kann es nicht erklären. Aber seit unserer Begegnung im Flugzeug …«
»Sie meinen nach der Notlandung, als Sie kamen, um uns zu helfen?«
»Nein, schon vorher. Als ich mich umdrehte und Sie dort hinten sitzen sah. Ich musste unbedingt mit Ihnen reden, aber ich wusste nicht, warum.«
»Ja, ein Rätsel.« Sie versuchte zu lachen.
»Noch«, sagte er. »Ich weiß, Sie sagten, dass Sie viel zu tun haben, aber hätten Sie nicht Lust, morgen Abend mit mir essen zu gehen? Ich könnte gegen sieben wieder in Boston sein, wenn ich den 95er nehme.«
»Okay«, sagte sie. Tobin kam ihr in den Sinn und sie fühlte sich angespornt. »Einverstanden.«
Als May den Hörer auflegte, stellte sie fest, dass ihre Hände zitterten. Sie wollte gerade Tobin anrufen, um ihr von dem Gespräch zu erzählen und sie scherzhaft daran zu erinnern, dass Martin Cartier der begehrteste Junggeselle in der NHL bleiben würde, trotz Einladung zum Abendessen und romantischem Gerede über Schicksalsfügungen. Aber stattdessen saß May reglos im Bett, lauschte den Nachtvögeln und Heuschrecken in den Wiesen und fragte sich, ob ein Mensch jemals wissen konnte, was das Schicksal für ihn bereithielt, und ob es möglich wäre, es herauszufinden.
*
Die Dämmerung am
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