Was allein das Herz erkennt (German Edition)
Boston oder an dem Lokal, das er ausgesucht hatte, zu lauschig und altmodisch, um von hartgesottenen Eishockeyfans frequentiert zu werden. Er hatte es in einem Gastronomieführer für Landgasthöfe an der Küste entdeckt.
Sie aßen Seezungenfilet mit kleinen Frühlingserbsen und Pasta mit weißen Trüffeln, dazu tranken sie Wasser statt Wein, weil Martin im Training war. Beide waren nervös, und keiner hatte das Telefonat vom Vorabend erwähnt. May sagte sich immer wieder, dass er sie aus einer Laune heraus eingeladen hatte, dass seine Worte nur so dahingesagt waren. Es war ihre erste und vermutlich letzte Verabredung, für ihn etwas Alltägliches und für sie kein Grund zur Unruhe.
Doch ihr Körper sagte ihr etwas anderes: Ihr Herz klopfte zum Zerspringen und ihre Wangen brannten. Sie konnte ihre Hände nicht stillhalten, und jedes Mal, wenn sie in Martins Augen blickte, hatte sie Schmetterlinge im Bauch.
»Ich bin froh, dass Sie sich heute Abend frei nehmen konnten,« sagte er.
»Ich auch. Haben Sie sich gestern Abend noch gut amüsiert?«
»Ein bisschen zu gut.« Er klang verlegen. »Die Mannschaft ist zur Feier des Tages um die Häuser gezogen.«
»Das klingt, als hätten Sie Spaß gehabt.«
Sie setzten einander über die wichtigsten Fakten in ihrem Leben ins Bild: dass May allein stehend und Martins Ehe annulliert worden war, dass sie in Black Hall wohnte und er ein Stadthaus in Boston besaß, dass sie Hochzeiten plante und er seit seiner Kindheit Eishockey spielte.
»Sind Sie auf dieser Farm aufgewachsen?«, fragte er.
»Ja und nein. Ich bin zwar dort aufgewachsen, aber eine Farm im eigentlichen Sinn war das Anwesen nie. Meine Großmutter ließ die Scheune errichten, als Sitz für ihr kleines Unternehmen – sie war Hochzeitsplanerin. Eine der ersten, pflegte sie zu sagen. Sie selbst betrachtete sich nicht als Geschäftsfrau, sondern als Künstlerin, und das gilt auch für mich. Sie war der Ansicht, dass man Fantasie braucht, um perfekte Hochzeiten zu planen, und dass noch mehr Einfallsreichtum erforderlich ist, wenn die Ehe Bestand haben soll.«
»Sie war also Hochzeitsplanerin mit künstlerischen Ambitionen?«
»Behauptete sie. In Black Hall haben sich übrigens viele Künstler niedergelassen.«
»Warum brauchen Sie eine Scheune für Ihr Unternehmen? Einen Laden kann ich mir vorstellen. Oder ein Büro.«
Sie trank einen Schluck Eiswasser und lächelte. »Sie glauben, dass wir unseren Kundinnen nur dabei helfen, ein Kleid für den schönsten Tag im Leben einer Frau auszusuchen?«
»Nein, das heißt, keine Ahnung.« Dann lächelte er, als hätte sie ihn beim Flunkern ertappt. »Doch, ich schätze, Sie haben Recht. Brautkleid, Hochzeitstorte, solche Dinge. Aber das ist vermutlich genauso, als würden Sie behaupten, Eishockey sei nur ein Spiel.«
»Ist es das nicht?«, fragte sie mit unschuldiger Miene.
Er schüttelte den Kopf, bereit, es ihr zu erklären, bis er sah, dass sie ihn auf den Arm nahm. Das Geplänkel machte ihr Spaß, weil es ihr das Gefühl vermittelte, um den wahren Grund für das gemeinsame Abendessen herumzureden. Es kam ihr wie ein Spiel und zugleich wie ein Rätsel vor, das zu lösen sie beide noch nicht bereit waren.
»Erzählen Sie mir von Bridal Barn«, bat er.
»Wir bauen unsere eigenen Kräuter an. Und züchten Rosen.«
»Ich weiß.«
»Das ist der Grund für unser heutiges Abendessen, stimmt’s?« Sie lachte. »Weil meine Rosen Ihnen Glück gebracht haben und Sie noch mehr Glücksbringer brauchen.«
»Möglich«, sagte er. »Ja, könnte sein. Aber reden Sie weiter. Was gibt es bei Ihnen sonst noch?«
May erzählte ihm von den Kerzen, die sie aus dem Wachs ihrer eigenen Bienen zogen, von den Kräutersäckchen und ätherischen Ölen, die sie selbst herstellten, von den in Handarbeit gefertigten Produkten, die der Braut Liebe und Glück bringen sollten, und von dem abgewetzten Buch ihrer Großmutter mit den alten Rezepturen für Heil- und Liebestränke, das sie immer noch in Ehren hielt.
»Die Scheune gefällt uns, sie bietet genug Platz, um die Trauungszeremonien in allen Einzelheiten zu planen, den Gang zum Altar einzustudieren, die Kleider anzuprobieren. Meine Mutter hat alte, kostbare Hochzeitsgewänder gesammelt und einmal im Jahr stellen wir sie aus, hängen sie an die Dachsparren, damit jedes Einzelne richtig zur Geltung kommt –« May liebte diesen Brauch, der zu ihren liebsten Traditionen gehörte. Sie sah, dass Martin aufmerksam zuhörte, an ihren Lippen
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