Was allein das Herz erkennt (German Edition)
Maple Walnut mit Schokosplittern und Vanille oben drauf.
»Warum gibst du es nicht zu?«, nahm Tobin gut gelaunt den Faden wieder auf, als sie ihr Eis schleckten. »Du magst ihn.«
»Mein Eis schmeckt überhaupt nicht nach Ahornsirup.« May schloss die Augen.
»Was ist so schlimm daran, ihn zu mögen? Es bringt dich doch nicht um, wenn du mit ihm essen gehst.«
»Was wir erlebt haben, war eine Ausnahmesituation.« May erwischte gerade noch einen Tropfen Eis, bevor er auf ihrem T-Shirt landete. »Er hat Kylie und mir geholfen, aus dem Flugzeug herauszukommen.«
»Und du magst ihn.«
»Ich kenne ihn doch kaum.«
»Na gut, formulieren wir es anders. Du denkst , dass du ihn magst –«
»Das ist keine besonders originelle Idee.« May schloss wieder die Augen und leckte an ihrem Eis.
»Du bist im Laufe der Jahre zu kopflastig geworden. Du hast dir angewöhnt, nur noch zu denken statt zu fühlen. Das ist dein Problem.«
Mays Augen füllten sich auf Anhieb mit Tränen. Tobin hatte Recht. Sie dachte an Gordon Rhodes, Kylies Vater. Sie hatte ihn geliebt, und als sie erfuhr, dass sie ein Kind erwartete, war sie im siebten Himmel gewesen. Sie war weit offen für das Leben und voller Liebe, Hingabe und Leidenschaft gewesen, bis Gordon ihr gebeichtet hatte, dass er verheiratet war. Getrennt von seiner Frau, aber verheiratet.
»Was willst du überhaupt! Es gibt genug Männer, mit denen ich ausgehe.«
»Was du nicht sagst!« Tobins Stimme wurde scharf. »Mit Mel Norris und Howard Drogin, den beiden langweiligsten Männern in Black Hall, die ganz bestimmt kein Herzklopfen bei dir verursachen. Seit Gordon gehst du nur noch auf Nummer sicher.«
»Und was ist mit Cyrus Baxter, dem Psychiater aus Boston, der Kylie anfangs behandelt hat? Ich war mit ihm zum Essen.«
»Ja, ein einziges Mal, und als er dich um ein Wiedersehen bat, hattest du nichts Besseres zu tun, als sie von der Studie im Mass General ab- und sie in Toronto wieder anzumelden.«
»Dr. Henry meint, die Studie in Toronto sei besser.« Tränen liefen über Mays Wangen. »Deshalb der Wechsel. Dr. Baxter hatte nichts damit zu tun.«
»Ach May.«
»Du weißt, dass ich meine Gefühle aus dem Spiel lasse, wenn es um Hilfe für Kylie geht.«
»Das weiß ich.«
»Außerdem, wer sagt mir, dass Martin Cartier nicht verheiratet ist?«
»Ist er nicht«, sagte Tobin.
»Woher willst du das wissen?«
»Ich habe mich schlau gemacht.«
Mays Augen wurden groß, als ihre Freundin entschuldigend mit den Schultern zuckte. Tobin hatte dunkle Haare und große helle Augen. Sie spähten nun vorsichtig unter ihrem Pony hervor, als befürchtete sie, dass May wütend auf sie war.
» Was hast du gemacht?«
»Ich habe das PR-Büro der Boston Bruins angerufen und gesagt, ich sei Lifestyle-Beraterin und arbeite für eine Zeitschrift an einem Artikel über verheiratete Eishockeyspieler, und dass ich vorhätte, ein Interview mit Martin Cartier zu machen. Als der Typ zu lachen aufgehört hatte, sagte er mir, da hätte ich aber Pech gehabt, Martin sei praktisch der begehrteste Junggeselle in der NHL.«
»Wenn das so ist, dann frage ich mich, warum er ausgerechnet mich zum Essen einlädt.«
»Er weiß eben, was gut ist.«
May blickte auf ihre Laufschuhe. Sie war eine allein erziehende Mutter, die etliche Fehler gemacht hatte, und in ihrem Leben gab es nur noch zwei wichtige Ziele: ihre Tochter anständig zu erziehen und Frauen zu ihrer Traumhochzeit zu verhelfen. Es war lange her, seit sie eigene Träume gehabt hatte, und sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie eines Tages vom begehrtesten Junggesellen der NHL aus einem brennenden Flugzeug gerettet werden und Rosen von ihm erhalten würde. Ihr Glaube, dass Magie und Liebeszauber, auf die sich ihre Familie seit Generationen verstand, bei ihr genauso wirkten wie bei anderen Frauen, gehörte seit langem der Vergangenheit an.
»Du hast Maple-Walnut-Eis am Kinn.« Tobin leckte ihren Daumen und wischte den Klecks ab.
»Danke.«
»Keine Ursache.«
»Zuerst fühlst du meinem Eishockeyspieler auf den Zahn und nun wischt du auch noch mein Gesicht ab, als wäre ich ein Baby …«
»Dein Vater hätte es so gewollt.«
May blickte Tobin an. Die beiden Mädchen waren wie Schwestern aufgewachsen, hatten abwechselnd bei der einen und bei der anderen übernachtet, waren mit den Familien zusammen zelten, ins Kino oder an den Strand gegangen. Aus Spaß hatte Tobin Mays Eltern manchmal ›Mom‹ und ›Dad‹ genannt, und May hatte
Weitere Kostenlose Bücher