Was allein das Herz erkennt (German Edition)
sah, wie sich sein Gesicht rötete. Sie hatten den dornigen Weg bis in die Endrunde geschafft und wie man sah, ging es auch ohne ihn.
»Wir haben Ray Gardner, wir haben Jack Delaney, wir haben …« Dafoe zählte die ganze Liste der Spieler auf. »Und wir haben Nils Jorgensen, unseren Goalie, der uns zwar bei den beiden letzten Versuchen einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber in den Playoffs mehr Pucks gehalten hat, als ich je geglaubt hätte.«
»Keiner ist besser als Jorgensen, außer Gott«, sagte Ray und die Mannschaft lachte.
»Aber noch wichtiger als alles andere, was wir haben, ist das Herz und die Seele unseres Teams: Martin Cartier. Er ist heute bei uns, genau wie in den letzten beiden Jahren.«
Martin hob den Kopf. Es machte ihm nichts aus, dass sein Gesicht gerötet war und seine Augen in Tränen schwammen.
»Danke, Coach.«
Seine Teamkameraden klopften ihm auf die Schultern, zerzausten ihm die Haare. Coach Dafoe räusperte sich.
»Was ist los mit dir, Cartier?«
»Coach?«
»Du weißt doch, hier hat niemand was in Straßenkleidung zu suchen.«
»Ich gehe schon, meine Frau und meine Tochter warten auf mich –«
»Den Teufel wirst du tun. Zieh dich endlich um.«
»Coach –«
»Beeil dich, Cartier. Wir werden gewinnen, und zwar mit dir.«
»Mit dir«, wiederholte Jorgensen.
»Wenn das so ist – ich bin dabei.« Martin spürte, wie jemand ihm sein Trikot in die Hände drückte, als er sein Hemd auszog und sich fertig für das Eis machte.
*
May war vom Schreien völlig heiser. Sie stand in der alten vertrauten Box mit Kylie, Genny, Charlotte und Mark. Tobin und Teddy waren als Gäste mitgekommen, und Ricky Carera, der Junge aus Estonia.
Serge hatte Martin und May gebeten, ihm bei einer Art von Wiedergutmachung zu helfen und Ricky das Schicksal zu ersparen, das Jim und andere Wärter dem vaterlosen Jungen voraussagten. Heute Abend hatten sie ihn per Flugzeug nach Boston kommen lassen und ihn auf dem Weg zum Stadion abgeholt.
»Das da ist der Goalie«, erklärte ihm Kylie gerade. »Und dort drüben, das ist der Stürmer.«
»Mittelstürmer«, verbesserte Mark.
»Und wer ist dein Dad?«, fragte Ricky ihn.
»Der Flügelstürmer, der rechte«, erwiderte Mark stolz.
»Mein Dad hat Baseball gespielt.«
»Cool«, sagte Mark.
»Ricky ist in der Little League«, erklärte Kylie. »Da kommen nur die besten Kinder rein. Mein Vater und mein Großvater haben ihm dabei geholfen.«
»Baseball ist toll«, sagte Ricky.
»Jetzt ist Eishockey angesagt«, erinnerte ihn Mark. »Pass auf.«
Bis zum Ende des letzten Drittels hatte es unentschieden gestanden, 0:0, und nun ging das Spiel in die Verlängerung. Jorgensen hatte jeden Schuss gehalten, sich auf den Puck gestürzt und seinen Körper als Schutzschild benutzt. May hielt den Atem an, wie alle anderen Zuschauer im Stadion, und fragte sich, wie lange er noch durchhalten würde.
»Martin sieht gut aus«, sagte Genny lächelnd, mit Blick auf die Bank.
»Ja, finde ich auch.« Sie erwiderte das Lächeln, aber insgeheim war ihr beklommen zumute, als sie beobachtete, wie ihr Mann die Mannschaft von der Reservebank anfeuerte und mit den einzelnen Spielern redete. Sie erinnerte sich an das letzte Jahr und seine überragenden Leistungen auf dem Eis, neben denen alle anderen verblasst waren.
»Ich dachte, er würde bei uns sitzen«, sagte Tobin.
»Ich auch.«
»Er hat einen starken Willen, dein Mann«, meinte Teddy.
May nickte.
Sie war aufgeregt gewesen und hatte sich gefreut, als Martin mit seiner Mannschaft auf das Eis hinausfuhr. In seinem alten Trikot mit der Nummer 10 und seinen Eishockey-Schlittschuhen wirkte er glücklich und in seinem Element. Doch ihre Gefühle wurden von der Reaktion der Zuschauer übertroffen. Als sie ihn entdeckt hatten, verwandelte sich das dumpfe Raunen in donnernden Applaus und sie brüllten immer wieder »Cartier!«, »Martin!«, »Goldhammer!«.
Das Stadion hallte wider von den Rufen und Martin hatte mit dem Schläger gewunken, um zu zeigen, dass er sich geehrt fühlte. Danach hatten sich alle auf den Beginn des Spiels konzentriert, auf das Geschehen in der Mitte der Eisbahn, wo die Teams vorgestellt und die Nationalhymne gesungen wurde.
May hatte an die beiden vergangenen Male gedacht. Im ersten Jahr hatte sie einen Glücksbringer für Martin und im zweiten für die gesamte Mannschaft gemacht: Rosenblätter, Eulenfedern und Knochen aus der Scheune. Für manche Leute mochte das Aberglaube sein, aber
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