Was allein das Herz erkennt (German Edition)
wurde, ist er eine Woche lang alleine zum Fischen gegangen. Er konnte mir nicht einmal in die Augen sehen, bis er mit sich selbst im Reinen war.«
»Geschieht mir ganz recht, wieso lasse ich mich auch auf so einen Kerl ein!« May dachte an Howard Drogin, der immer anrief, wenn er es versprochen hatte, und nie enttäuscht zu sein schien, wenn sie ihm sagte, dass sie bereits etwas anderes vor habe.
»Du hast etwas Besseres im Leben verdient, als immer nur die Hochzeiten anderer Frauen zu planen und deine Tochter zu Psychologen zu schleppen«, sagte Tobin.
»Sie hat seit der Notlandung nur einmal schlecht geträumt. Und nur ein einziges Mal Engel gesehen. Aber heute Abend erwähnte sie etwas, was Martin gesagt hatte – obwohl sie es nicht gehört haben konnte –«
»Sie liest es an deinen Augen ab, oder an deiner Miene. Das macht sie immer. Diese so genannte Gabe, die Kylie besitzt, leitet sich aus der engen Verbundenheit her, die zwischen euch beiden besteht.«
»Wir stehen uns sehr nahe, das ist richtig.«
»Kein Wunder. Du bist Mutter und Vater für sie. Sie liebt dich über alle Maßen. Sie kann deine Gedanken lesen, weil sie dich so gut kennt.«
»Ich werde deine Theorie ins Tagebuch schreiben. Wenn wir im Juli nach Toronto fliegen, werde ich sie den Ärzten erzählen.«
»Gut.«
May lachte. »Mein Notizbuch wird in letzter Zeit nicht voller. Ich könnte mir vorstellen, dass sie enttäuscht sein werden. Die Entwicklung von Kylies übersinnlichen Kräften ist beinahe zum Stillstand gekommen.«
»Vielleicht braucht sie im Moment keine imaginären Freunde.«
»Warum?«
»Weil ihre Mutter glücklicher ist als sonst.«
Doch als May auflegte, fühlte sie sich nicht im Mindesten glücklich. Die Rosenblätter hatten ihre Wirkung zuletzt doch verfehlt. May tat es Leid, dass Martin nicht angerufen hatte, um ihretwegen, aber auch um seiner selbst willen: sie hätte ihn gerne getröstet.
Sie hätte es sich gewünscht; mehr als alles in der Welt.
5
D ie Bruins haben VERLOREN«, zischte Mickey Agnelli, direkt vor Kylies Gesicht.
»Ja«, sagte Eddie Draper. »Und dabei hast du behauptet, dass sie mit Sicherheit gewinnen.«
»Mit Sicherheit habe ich nicht gesagt«, flüsterte Kylie, als sie in der Eingangshalle der Black Hall Elementary School neben dem Trinkbrunnen stand. Ihr Blick irrte verzweifelt hin und her, sie wünschte, ein Lehrer oder eines von den großen Mädchen würde vorbeikommen. Aber sie war ganz alleine, eine Erstklässlerin, von Drittklässlern umzingelt, und weit und breit keine Hilfe in Sicht.
»Du hast gesagt, dass Martin Cartier besondere Kräfte hat«, sagte Mickey.
»Stimmt, er kann besonders gut verlieren«, fügte Eddie hinzu.
»Und du hast auch gesagt, dass Martin Cartier zu uns in die Schule kommt«, mischte sich Nancy Nelson ein. »Also, wo ist er?« Kylie zuckte zusammen. Obwohl Martin nicht ausdrücklich gesagt hatte, dass er in ihre Schule kommen wolle, war sie doch sicher gewesen. Martin war ihr Freund und sie hatte fest daran geglaubt, dass ihr Wunsch – wie alle ihre Wünsche – in Erfüllung gehen würde. Von der ersten Minute an, im Flugzeug, hatte irgendetwas in seinen Augen den Gedanken in ihr geweckt, dass er Mommy und sie genauso brauchte wie sie ihn. Er war der Daddy, den sie sich ausgesucht hatte, und sie hatte ihn gebeten, ihnen zu helfen, wenn es an der Zeit wäre.
Und nun waren vier Tage vergangen und er hatte Mommy nicht ein einziges Mal angerufen. Er war spurlos aus ihrem Leben verschwunden, so als hätte es ihn nie gegeben. Kylie bekam Bauchweh, wenn sie nur daran dachte.
»Ja, wo ist er denn?«, spottete Mickey.
»Nicht, dass wir es so toll fänden, wenn er hier wäre. Die Bruins sollten ihn gegen Nils Jorgensen eintauschen«, meinte Eddie.
Kylie spürte, wie sich ihre Schultern zusammenzogen, als hätte sie innen ein Paar Flügel, die sie gleich entfalten könnte. Es missfiel ihr, wenn jemand gemein über Martin redete, selbst wenn er nie mehr anrief und ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen sollte.
»Martin Cartier ist eine Niete«, sagte Mickey höhnisch.
»Ja, lässt sich den Stanley Cup durch die Lappen gehen! Weißt du, was für eine Niete man sein muss, um sich den Stanley Cup durch die Lappen gehen zu lassen?«
»Sag nie wieder Niete zu ihm!«, schrie Kylie.
»NIETE!«, brüllte Mickey.
»Eine riesengroße, blöde, bescheuerte Niete«, fügte Nancy hinzu.
»Blöd und bescheuert ist ein und dasselbe, falls du es nicht weißt«, fauchte
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