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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Kylie. »Du redest wohl von dir selber!«
    »Du bist auch eine Niete, weil du uns belogen hast«, sagte Mickey. »Du kennst Martin Cartier gar nicht und er hatte nie vor, in die Schule zu kommen. Und er hat den Stanley Cup mit absoluter Sicherheit nicht gewonnen. Los kommt, lasst uns gehen. Was wollen wir mit diesem Baby aus der ersten Klasse!«
    Kylies Augen schwammen in Tränen, während sie die Fäuste ballte und den drei älteren Schülern nachsah, die durch die Eingangshalle liefen. Sie hatten alle Väter. Sie hatte sie mit ihnen auf dem Rummelplatz während der Shoreline Fair gesehen. Alles, was sie ihr unter die Nase gerieben hatte, hatte gesessen, aber ein Stachel war ihr besonders tief unter die Haut gegangen; zitternd schlang sie die Arme um sich. Sie wünschte, die Engel würden kommen. Sie wünschte, sie würden sie mit ihren sanften Schwingen umhüllen und ihre Freunde sein.
    »Ich habe nicht gelogen«, sagte sie in die leere Halle hinein. »Ich kenne Martin Cartier. Ich kenne ihn wirklich.«

    *

    Martin tauchte unter. Er vergrub sich in seinem Haus mitten in Boston, aber er hätte genauso gut in einer Höhle Zuflucht suchen können. Die Fensterläden waren verrammelt, das Telefon ausgestöpselt, der Bart wuchs. Sie hatten den Stanley Cup erneut verloren, daran war nichts zu ändern. Er schlief zwei Tage durch.
    Am ersten Tag träumte er vom See. Das Eis war glatt und schwarz, man konnte die Fische wie erstarrt unter der Oberfläche sehen. Forelle, Barsch, Hecht. Martin fuhr auf seinen Schlittschuhen dahin, als sei er schwerelos, die silbernen Kufen hinterließen kaum Kratzer auf dem Eis. Er fühlte sich frei, leicht, unbeschwert. Aber er hatte ein Ziel vor Augen, der Wind in seinem Rücken trieb ihn zu einer Gestalt, die er nicht ausmachen konnte.
    Am zweiten Tag träumte er, noch schneller über das Eis zu gleiten. Vor ihm breitete sich der Lac Vert aus, sein gewundenes Bett schnitt in die Berge Kanadas. Hohe Kiefern überschatteten das dunkle Eis und Martin wusste, dass die Person, nach der er suchte, hinter der nächsten Biegung wartete. Wer war sie? Je näher er ihr kam, desto mehr schien sie sich zu entfernen. Seine Mutter? Sein Vater? Natalie? Das Eis rund um seine Füße begann zu schmelzen.
    Er wachte mit einem Ruck auf, kämpfte mit den Laken und sein Herz raste. Wer war diese Person, um Gottes willen? In die Kissen zurückgelehnt, sah er der Wahrheit ins Gesicht: er hatte den Stanley Cup abermals verloren. Er hatte alle enttäuscht. Er war der einsamste Mensch auf der Welt, selbst in seinen Träumen. Das Eis hatte zu schmelzen begonnen, der See drohte ihn zu verschlingen, wenn er nicht zu ihr gelangte.
    »Ihr?« Er sprach es laut aus.
    Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
    Natürlich, die Person war May. Sie war da gewesen, hatte auf ihn gewartet. In seinem Traum war er mit leeren Händen und leeren Taschen dagestanden. Er hatte nur sich selbst zu bieten.
    Aber das war alles, was May sich wünschte. Sie war eine wunderbare Frau und er hatte sich seit ihrer ersten Begegnung zu ihr hingezogen gefühlt.
    Martin hatte im Traum gespürt, wie er versank, wie das Eis um seine Knöchel schmolz. May hatte direkt hinter der Biegung auf ihn gewartet. Wenn er nur zu ihr gelangen könnte! Vielleicht war sie seine Rettung. Seine Kehle brannte, als er an ihre kleine Tochter dachte.
    Vielleicht konnten sie alle gerettet werden. Er stemmte sich auf die Ellenbogen und starrte in sein abgedunkeltes Schlafzimmer, dachte darüber nach, ob er versuchen sollte, dem Tageslicht ins Gesicht zu sehen.

    *

    Im Mai fanden zahllose Hochzeiten statt: Es gab viele Paare, die unter einem Laubengang aus Glyzinen heiraten wollten, mit Brautsträußen aus frisch gepflückten Veilchen und Maiglöckchen. Für die Hochzeitsplaner herrschte in diesem Monat jedoch Flaute, denn die Planung war längst abgeschlossen. May verbrachte den größten Teil ihrer Zeit im Garten und es kam nicht selten vor, dass sie die wenigen Kundinnen mit Grasflecken an den Knien und Erde unter den Fingernägeln begrüßte. Aber in den letzten Tagen war May nicht recht bei der Sache gewesen.
    Vier Tage nach der Niederlage der Bruins und Martins letztem Anruf kniete May im Rosengarten und streute Kaffeesatz rund um die Wurzeln eines alten weißen Rosenstrauchs. Jeder Rosenstrauch hatte seine eigene Geschichte, die ihr von ihrer Mutter, ihrer Großmutter und ihrer Großtante erzählt worden war. Dieser hier war 1946 gepflanzt worden, in dem

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