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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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bist?«
    »Nein, ich liebe dein – unser Haus«, verbesserte sie sich. »Ich kann den Großteil meiner Arbeit hier erledigen und es stört mich nicht, an zwei Tagen in der Woche die 395er Route hin und her zu fahren.«
    »Gut.« Er nahm ihre Hand und legte sie auf sein Knie. »Ich möchte nicht, dass du Heimweh hast. Und deine Tante und Tobin zu sehr vermisst.«
    »Apropos Familie, Martin«, begann sie, als sie auf die Bostoner Hauptstraße fuhren. Sie hatte ihre Handtasche auf dem Schoß, das blaue Notizbuch und Serges Karte darin brannten ihr unter den Nägeln. »Ich würde gerne deinen Vater kennen lernen.«
    Er antwortete nicht. Sie kamen an eine rote Ampel und Martin hielt, rührte sich auch dann nicht, als sie auf Grün umschaltete. Der Fahrer hinter ihnen drückte auf die Hupe und Martin fuhr los, mit Vollgas über die Kreuzung.
    »Nein, May.« Er blickte unverwandt in den Rückspiegel, um zu sehen, ob der Mann noch hinter ihm war.
    »Er ist dein Vater. Ich weiß, was er getan hat, aber er ist alt. Er sitzt im Gefängnis, ist ganz alleine, und ich finde –«
    »Du kennst ihn nicht.«
    »Ich würde ihn aber gerne kennen lernen.« Dr. Whitpens Theorie ging ihr nicht aus dem Kopf.
    »Du kennst ihn nicht«, wiederholte Martin.
    Sie fuhren die alten kurvigen, mit Kopfstein gepflasterten Straßen hinauf und hielten vor ihrem Haus am Marleybone Square. Es war ein imposantes altes Backsteinhaus im Kolonialstil, das sichtbare Holzwerk ganz in Weiß und die Fensterläden in Schwarz gehalten. May hatte einen Kranz für die vordere Eingangstür gebunden und gemeinsam mit Tante Enid eine Girlande aus Lorbeerranken geflochten, die von oben herabhing. Tante Enid war für ein paar Tage zu Besuch gekommen und kümmerte sich an diesem Abend um Kylie.
    »Hör zu.« Martin rieb sich die Augen. Er sah abgespannt und erschöpft vom Spiel aus, seine Kiefermuskulatur war angespannt, die Stirn gerunzelt. »Du glaubst, alle Menschen wären gut und gerecht. Das ist deine Weltsicht, May. Dafür liebe ich dich.«
    »Ich weiß, dass Menschen Fehler machen.«
    »Fehler gibt es in jeder Form und Größenordnung. Dass ich heute Abend Rays Pass nicht erwischt habe, war ein Fehler. Dass du deinem Vater keinen Abschiedkuss gegeben hast, war ein Fehler. In meinen Augen nicht, aber in deinen. Die so genannten Fehler meines Vaters stehen auf einem ganz anderen Blatt.«
    »Glaubst du nicht an Vergebung?«
    »Stell mir die Frage noch einmal, wenn Kylie etwas passiert«, sagte Martin und blickte sie kalt an, als er die Haustür aufschloss.
    Er trat ein, ließ May einfach stehen. Sie war verletzt und schockiert, fand keine Worte. Sie folgte Martin ins Haus, sah sich um. Tante Enid war in einem der Gästezimmer einquartiert, aber Kylie und sie schienen oben eingeschlafen zu sein. Die Zimmer waren spärlich möbliert, die Einrichtung glich eher der von Hotelzimmern als der eines prachtvollen Bostoner Stadthauses. In seiner langen Junggesellenzeit hatten sich lediglich ein ausladender Ledersessel, eine Ausziehcouch und mehrere Kisten mit Eishockey-Trophäen angesammelt.
    Martin hatte sie aufgefordert, alles auf den Kopf zu stellen, das Haus nach Lust und Laune umzugestalten. Bisher hatte May noch keine Zeit dafür gefunden – sie hatte genug damit zu tun gehabt, die liegen gebliebene Arbeit im Bridal Barn zu erledigen und Kylie zu helfen, sich in ihrer neuen Schule einzugewöhnen. Im Augenblick fühlte sie sich von der maskulinen Ausstrahlung der Räume erdrückt.
    May fand ihn in der Küche, er schenkte sich gerade ein Glas Milch ein.
    »Es tut mir Leid«, sagte er. »Das mit Kylie hätte ich nicht sagen sollen. Ich habe es nicht so gemeint.«
    »Ich weiß.«
    »May, du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, wenn man ein Kind verliert. Ich bete, dass dir diese Erfahrung erspart bleibt.«
    »Ich auch.«
    »Es ist die Hölle. Ich übertreibe nicht.«
    »Das nehme ich auch nicht an.«
    »Ich war bei ihrer Geburt dabei. Ich habe sie im Kreißsaal in den Armen gehalten. Ihre Lieblingsfarbe war rosa. Sie spielte gerne Fußball. Sie konnte wunderbar malen und tanzen, sagten ihre Lehrer. Sie war hübsch … bezaubernd … mein eigen Fleisch und Blut. Sie hatte das ganze Leben noch vor sich, May. Und er hat sie auf dem Gewissen.«
    »Er ist im Gefängnis, Martin.«
    »Aber nicht, weil er ihren Tod verschuldet hat. Ich hoffe, dass er da drinnen verreckt.«
    »Solche Rachegefühle hast du aber nicht immer.«
    »Wovon redest du?«
    »In der letzten Saison

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