Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
Vom Netzwerk:
sei ein Mensch, wie er sein sollte – aufopferungsvoller Leidender, der er war! Und jetzt war sie entsetzt bei dem Gedanken, daß sie ihm diese Information über sich ebenso leichtsinnig gegeben hatte, wie sie vielleicht einem Kind ein Spielzeug überreicht hätte.
    Was noch schlimmer war, was sie weiter demütigte, war, daß sie ihren Liebhaber, Francis Early, mehr oder weniger so gesehen hatte, wie Charlie sich selbst sah.
    Es war unmöglich, unter die Decke zu schlüpfen, ohne Otto aufzuwecken. Sie nahm einen schweren Mantel aus dem Schrank und zog ihn über sich. Dann begann sie,sich etwas über Francis zu erzählen. Sie hatte sich diese Geschichte oft erzählt, entspannte sich in den Schlaf hinein und ließ sich treiben, während sie die gespenstische Erinnerung an eine Person zusammenstückelte, an deren reale Existenz sie kaum noch glaubte.

6
    Manchmal ging Ottos Interesse an einem Mandanten über den Anlaß hinaus, der sie zusammengeführt hatte. Sophie wußte nicht, welche besonderen Eigenschaften ihn ansprachen; er verspürte keine Neigung, seine eigenen Gefühle oder die anderer zu analysieren, und er verspürte auch keine Neigung, sich zu fragen, warum er jemanden mochte, oder darüber zu reden, für welche Art von Menschen er sie hielt. Wenn Sophie – mit zunehmend verärgerter Stimme – meinte, daß Soundso ihn amüsierte, weil er unberechenbar war oder naiv oder ein Experte auf irgendeinem obskuren Gebiet der Forschung (zum Beispiel der Entwicklung von Freizeitparks, der Schwarzen Magie in New Orleans), nickte Otto zustimmend, wobei er die ganze Zeit seinen Finger auf dem Absatz festhielt, den er gerade in einem Buch oder einer Zeitung gelesen hatte. Der Mandant wurde zu einer kleinen Dinnerparty eingeladen, und gelegentlich ging Otto mit ihm Mittag essen oder ein Glas trinken; das war alles. Bei einigen zog sich die Sache in die Länge; sie waren keine engen Freunde, aber etwas mehr als Mandanten. Zu ihnen gehörte Francis Early, der von einem Verlag, für den er als Vertreter arbeitete, an Otto verwiesen worden war. Der Grund, warum er einen Anwalt aufsuchte, blieb mehrdeutig. Wäre das anders gewesen, hätte Otto, der alle Scheidungsprozesse verabscheute, seinen «Fall» wahrscheinlich abgelehnt. Francis bemühte sich nicht tatkräftig um die Lösung seiner Eheprobleme. Hauptsächlich schien er über sie reden zu wollen. Mrs. Early hatte sichmit ihren drei Kindern in Locust Valley, Long Island, verkrochen und weigerte sich, irgendwelche Anwaltsbriefe zu beantworten. Als Francis sie anrief, um sie um ihre Kooperation zu bitten – zumindest bei den Formalitäten, die für eine gesetzliche Trennung notwendig waren –, beschwerte sie sich, daß sie Schwierigkeiten mit dem Kohleofen habe; er habe ihr nicht die richtigen Anleitungen für den Nachtbetrieb gegeben, und für wann er den seit Jahren versprochenen Einbau der Ölheizung plane? Als Otto sie anrief, murmelte sie: «Scheren auch Sie sich zum Teufel!» und legte auf.
    Francis hatte sie zuvor schon zweimal verlassen. Beim ersten Mal hätte es endgültig sein sollen, sagte er Otto, damals, als erst ein Kind da war. Schließlich ließ Otto jeden Anschein fallen, irgend etwas für einen der beiden tun zu können. Da Francis eine kleine Wohnung in der Nähe von Ottos Kanzlei hatte, gingen sie hin und wieder zusammen zum Mittagessen.
    Francis hatte ein Büro, einst die erste Etage eines ansehnlichen Stadthauses, in der Einundsechzigsten Straße East, wo er unter einer Stuckdecke, die wie verschmutztes Baiser aussah, Bücher über Gartenbau, Wildblumen, Rosenzucht und Spalierobst publizierte, zusammen mit einer Taschenbuchreihe darüber, wie man eine Schmetterlings- oder Briefmarken-, Muschel- oder Oldtimer-Sammlung anlegte, wobei letztere, wie er sagte, ihm als beinahe ausschließliche Geldquelle diente, die es ihm ermöglichte, erstere herauszugeben.
    Sophie hatte ihn an dem Abend kennengelernt, als sie und Otto sich die Aufführung des Französischen Nationaltheaters von
Andromache
ansahen. Sie fühlte sich auf besondere Art angeregt, was Otto mit einigem Recht der Tatsache zuschrieb, daß er einen Kopfhörer für die englische Übersetzung tragen mußte, während sie mit derAutorität ihrer Zweisprachigkeit einfach nur dasitzen konnte. Aber großzügiger interpretiert lautete die Wahrheit, daß sie Racine, Jean-Louis Barrault und den unvergänglichen Glanz der Professionalität klassischer französischer Theateraufführungen liebte. Sie wußte

Weitere Kostenlose Bücher