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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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spürte, wie er sie schweigend beobachtete, und sie hielt zur Strafe still der Macht ihres Wunsches stand, zu erklären, abzumildern und zu beschönigen.
    Als sie ihren Schlüssel in das Türschloß steckte, hörte sie Charlie leise aus dem stehenden Taxi rufen, und als sie sich umwandte, sah sie ihn aus dem Fenster lehnen.
    «Ich war es, der angerufen hat», sagte er, «wenn es dich beruhigt.» Dann kurbelte er das Fenster hoch, und das Taxi fuhr die Straße hinunter.
    Sophie stand regungslos im Flur. Das Wohnzimmer wirkte verschwommen und öde. Gegenstände, deren Konturen sich im zunehmenden Licht verfestigten, strahlten eine vage, totemhafte Bedrohung aus. Es schien, als hätten Stühle, Tische und Lampen gerade erst ihre üblichen Positionen eingenommen. In der Luft hing ein Echo, ein besonderes Pulsieren wie von einer unterbrochenen Bewegung. Natürlich, es war die Stunde, das Licht, ihre Müdigkeit. Nur lebende Dinge richten Schaden an. Sie ließ sich plötzlich auf eine Shaker-Bank sinken. Vierzehn Spritzen in den Bauch. Vierzehn Tage. Und selbst dann gab es keine Garantie; du stirbst an Tollwut, du wirst ersticken. Was für ein Mitleid konnte sie erwarten? Wer würde sie bemitleiden angesichts ihrerkindischen Angst, ihrer Ausflucht und ihrer Heuchelei, daß nicht viel passiert sei? Das Leben war so lange weich gewesen, ohne Kanten und wie ein Schwamm, und jetzt gab es hier in seiner ganzen oberflächlichen Banalität und seinem unterschwelligen Grauen dieses idiotische Ereignis – ihr eigenes Werk –, diese würdelose Konfrontation mit der Sterblichkeit. Sie dachte an Otto und rannte die Treppe hinauf. Im Schlafzimmer lag Otto und schlief, Decken und Laken um die Mitte gewickelt und die Füße über den Bettrand gestreckt.

5
    Sophie weichte ihre Hand ein. Das heiße Wasser tat weh, wirkte dann aber beruhigend. Als sie sich die Hand abtrocknete, fühlten sich ihre Finger freier an, als hätte sich das Gift des Bisses zurückgezogen, um sich auf die Wunde selbst zu konzentrieren. Sie rülpste leise, und mit dem Unbehagen, den der Gedanke, daß man ihr bei solch heimlichen, ungehemmten Manifestationen ihres körperlichen Seins zuhören könnte, üblicherweise auslöste, sah sie schnell durch die offene Badezimmertür auf den Flur hinaus.
    Sie hatte Blähungen; es mußte am Bier liegen. Ihr Körper war nicht mehr der ihre, sondern hatte aus eigenem Antrieb in irgendeine Richtung abgehoben. In diesem letzten Jahr hatte sie entdeckt, daß seine Beschwerden, sobald sie interpretiert waren, immer die Einschränkung oder das Ende einer Freude bedeuteten. Sie konnte nicht mehr so essen und trinken wie früher. Unerbittlich wurde sie von Elementen gestört, die sowohl ungeheuerlich als auch lächerlich waren. Erst vor kurzem hatte sie begriffen, daß das Altsein lange dauert.
    Sie zog ihren Slip aus und warf ihn in den Strohkorb, den sie für ihre persönliche Schmutzwäsche benutzte. Das unlackierte Stroh zerriß ihr die Strümpfe, aber sie wollte den Korb nicht durch etwas anderes ersetzen, sei es aus Trägheit, sei es aus Trotz gegen das praktische Denken. Sie streifte die übrigen Kleidungsstücke ab. Ihr Guerlain-Parfüm hatte sich in Alkohol verwandelt, aber sie tupfte sich trotzdem etwas davon auf ihren biergefülltenBauch. Dann ging sie den Flur hinunter und in das Schlafzimmer, wo sie ihr Nachthemd am Boden sah, das sie dort liegengelassen hatte.
    Charlie mußte jetzt fast zu Hause sein, auf diese einwohnerstarke, düstere Steinmasse aus den zwanziger Jahren zusteuern, in der er wohnte. Okay, dann hatte also er angerufen. Aber warum hatte er angerufen? Und dann geschwiegen? Oder hatte er gelogen? Versucht, ihr ein besseres Gefühl zu geben, indem er eine Sünde gegen eine andere Sünde tauschte. War das Charlie gewesen, der in das Telefon hineingeatmet hatte? Nur Wahnsinnige machten so etwas. Es würde ein grauer Tag werden; das aschgraue Licht im Zimmer wirkte bereits so irritierend wie ein zu lang ausgehaltener Ton. Sie blickte auf Otto hinunter.
    Selbst im Schlaf sah er vernünftig aus, obwohl das übermäßig verdrehte Bettzeug nahelegte, daß die Vernunft – im Schlaf – ihren Preis gekostet hatte. Sie wollte ihn aufwecken, ihm sagen, daß er Charlie los war, einen Mann, der ständig damit beschäftigt war, seine Überlegenheit zu kultivieren, menschliche Gefühle zu entwickeln. Er wollte nicht so sehr, daß Otto sich am Ende ihrer Partnerschaft grämte, sondern vielmehr, daß er zugab, er, Charlie,

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