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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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aber sie kennt von allem und jedem den Namen. Das ist ein eigenartiges Denken. Doch es holt sie ein. Sie liest nur, um sich Meinungen zu bilden, und dann kann sie sich nicht an das erinnern, was sie gelesen hat, sondern nur an die Meinungen. Ich nehme an, Sie sind ganz anders.» Sophie fühlte sich vage geschmeichelt, obwohl sie nicht wußte, was er unter «anders» verstand. Doch sie verspürte ein leises Unbehagen; die Schmeichelei war nicht nur zweideutig, sondern zeugte auch nicht gerade von gutem Geschmack. Aber sie war selbst unaufrichtig gewesen. Sie kannte die Namen vieler Pflanzen und Insekten und Blumen. Warum hatte sie ihm Unwissenheitvorgegaukelt? Um ihm zu schmeicheln? Oder hatte er sie damit, daß er ihr das Buch mit oberflächlicher Freundlichkeit in den Schoß legte, irritiert? Und hatte sie diese Behauptung weniger zum Beweis ihrer Unwissenheit aufgestellt, sondern vielmehr, um ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem, was ihn interessierte, zu demonstrieren? Sie waren beide unehrlich gewesen.
    Sie tranken Brandy und hörten Francis zu, der von seiner Arbeit erzählte. Er genoß, sagte er, die Vorteile der Anonymität; er war ein so wenig verlockender Happen, daß kein großer Verleger sich die Mühe machte, ihn zu verschlucken, und er hatte nicht nur die Freiheit, so ungefähr das zu publizieren, was er wollte, sondern entging dadurch, daß er sich von der Belletristik fernhielt, den entsetzlichen Zwängen der Mode. Er gab seine kleinen Käfer und Pflanzen heraus; die natürliche Welt war tausendmal absonderlicher und interessanter als die menschliche Gesellschaft. Mit einem charmanten Lächeln beschrieb er die Art und Weise, wie es einer bestimmten Larve gelingt, sich im Gehirn eines Singvogels einzunisten, um dort ihre Metamorphose zu Ende zu führen.
    «Hat er dir gefallen?» fragte Otto später, als sie sich durch das überfüllte Foyer ins Theater drängten.
    «Ja», erwiderte sie. «Er ist nett, sehr nett.»
    «Ich weiß nicht, ob er nett ist. Ich würde sagen, er ist herzlos, wirklich. Es ist seltsam. Du siehst, wie … höflich er ist, fast altmodisch. Er täuscht eine große Toleranz gegenüber der Welt vor, bleibt cool, hält sich heraus. Ich glaube, in Wahrheit kann niemand so sein – entweder man ist bestürzt und verblüfft, oder man verkürzt alles auf Ästhetik oder Politik oder Sexualsoziologie oder sonst was. Aber Francis – und mit herzlos will ich nicht sagen, daß er hart ist – hat eine völlig undurchdringliche Oberfläche, obwohl er so wirkt, als habe er überhaupt keine.Er versteht mich nicht, aber dennoch mag ich ihn. Er stimmt mich fröhlich.»
    Für Ottos Verhältnisse war das ein sehr langer Vortrag. Sophie sah ihn überrascht an. Er reichte ihr das Programm, das er soeben von einem Platzanweiser erhalten hatte, der jetzt ungeduldig in Richtung ihrer Plätze gestikulierte. Sie schoben sich an zwei Männern in bestickten Seidenwesten vorbei und klappten die Sitze herunter.
    «Ich habe noch niemals gehört, daß du dich über jemanden so ausbreiten kannst», sagte sie.
    «Deshalb», antwortete er. «Weil ich ihn mag und eigentlich nicht weiß, warum.»
    «Aber werden sie sich wirklich trennen oder scheiden lassen?»
    «Ich glaube nicht. Er geht sie immer wieder besuchen. Er sagt, sie sei Realistin. Ich glaube, er meint das vorwurfsvoll. Vielleicht ist es die Art, wie er es sagt, mit diesem für ihn typischen vertrauensvollen Grinsen.»
    «Vielleicht liebt er sie.»
    «Lieben? Davon weiß ich nichts. Ja, hier zeigt sich seine wahre Herzlosigkeit. Er will gewinnen. Egal, was er sagt, ich vermute, daß sie ihn hinausgeworfen hat. Oh, er ist sehr abhängig von ihr … Sie gehört zu diesem Typ, der organisiert, denke ich, in meinen Ohren klang sie am Telefon hart, knallhart. Zwischen ihnen läuft eine Menge gut. Er sitzt hier in seinem schäbigen alten Büro, und sie kümmert sich um die Welt.»
    «Ich frage mich, warum sie ihn hinausgeworfen hat.»
    «Ich habe nur so einen Verdacht. Ich bin mir ziemlich sicher, daß er irgendwie zurückgehen wird. Er hat mir gesagt, daß er sich wegen der Nachbarskinder Sorgen macht, die seine Kinder besuchen kommen – sie könnten irgend etwas kaputtmachen, an dem sie sehr hängt, oder ihre spezielle Seife benutzen.»
    «Ihre Seife!»
    «Englische Seife. Pears, hat er gesagt. Er hat lauter solche merkwürdigen Details auf Lager.»
    Sie hielt ihm den Kopfhörer für die Simultanübersetzung hin. «Möchtest du ihn?»
    «Warum tust du so, als

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