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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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Spülbecken stand, ballte sie die Hände zusammen und sagte sich, daß es nichts weiter sei. Ein langer Kratzer an der Wurzel ihres Daumens blutete ein wenig, aber aus der Bißwunde quoll das Blut heraus. Sie drehte den Wasserhahn auf. Ihre Hände sahen wie ausgelaugt aus; die kleinen sommersprossenartigen Flecken, die sich während des Winters gebildet hatten, waren blau. Sie beugte sich nach vorn gegen das Spülbecken und fragte sich, ob sie in Ohnmacht fallen würde. Dann wusch sie sich die Hände mit gelber Küchenseife. Sie leckte an ihrer Haut, schmeckte Seife und Blut und deckte dann die Bißwunde mit einem Stück Küchenpapier zu.
    Als sie mit dem Tee zurückkam, blätterte Otto gerade einige zwischen blaue Deckel geheftete Akten durch. Er blickte auf und sah sie an, und sie erwiderte seinen Blick mit augenscheinlicher Ruhe, dann stellte sie mit der rechtenHand den Tee vor ihn hin und hielt die andere an ihre Seite gepreßt vor ihm versteckt. Er schien immer noch leicht verwundert, als hätte er ein Geräusch gehört, das er nicht identifizieren konnte. Sie kam allen Fragen zuvor, indem sie sich sofort erkundigte, ob er etwas Obst haben wolle. Er sagte nein, und der Augenblick war verflogen.
    «Du hast die Tür offengelassen. Du mußt sie abschließen, Sophie, sonst geht sie wieder auf.»
    Sie machte die Tür wieder zu und sperrte sie mit dem Schlüssel ab. Durch das Glas sah sie die Untertasse. Es waren bereits ein paar Rußflocken darin. Sie hatte im Herbst mit dem Rauchen aufgehört, aber es schien nicht viel zu nützen. Ich kann die Tür nicht wieder aufschließen, sagte sie zu sich selbst.
    «Es ist vorbei», sagte Otto. «Endlich vorbei.»
    «Was ist vorbei?»
    «Sophie, du bist taub! Du hörst mir wirklich nicht mehr zu! Charlie ist heute ausgezogen, in sein neues Büro. Er hat mir erst heute morgen gesagt, daß er schon etwas gefunden hat. Er sagte, er wolle, daß das Ganze mit einem sauberen Schnitt endet. ‹Wenn ich die Akten brauche, kann ich dich dann kontaktieren?› Das hat er mich gefragt. Sogar mit einer solchen Frage unterstellt er mir, daß ich unvernünftig sein könnte.»
    Sie setzte sich hin und hielt ihre linke Hand auf dem Schoß.
    «Du hast mir nie viel davon erzählt», sagte sie.
    «Da gab es nicht viel zu erzählen. Im letzten Jahr sind wir uns über nichts einig gewesen, über gar nichts. Wenn ich sagte, es würde regnen, zupfte Charlie an seiner Unterlippe und behauptete, nein, es würde nicht regnen. Er meinte, er habe die Wettervorhersagen aufmerksam gelesen und es würde ein schöner, klarer Tag werden. Ich hätte längst wissen müssen, daß Charaktere sich nichtändern. Ich habe mich überall, wo ich konnte, oberflächlich angepaßt.»
    «Ihr seid so lange zusammen gewesen. Warum ist es jetzt dazu gekommen?»
    «Mir sind die neuen Leute, mit denen er sich angefreundet hat, seine Mandanten, egal. Ich weiß, was die ganze Zeit in der Kanzlei abgelaufen ist. Die lästige Arbeit habe ich erledigt, während Charlie sich seine komischen Hüte aufgesetzt und jedermann mit seinem persönlichen Charme umgeworfen hat. Alles, was er tat, bestand darin, so zu tun, als sei das Gesetz nichts anderes als ein paradoxer Scherz, und so etwas kommt bei vielen Leuten gut an.»
    «Es wird schwer sein, sie wiederzusehen. Oder was glaubst du? Ruth und ich sind nie enge Freundinnen gewesen, aber wir sind miteinander ausgekommen. Wie macht man das, Leute einfach nicht mehr wiederzusehen? Und was ist mit dem Boot?»
    «Man hört einfach auf, basta. Im Winter war es so schlimm! Du kannst dir die Leute im Wartezimmer nicht vorstellen, eine Armee von Bettlern. Er hat mir heute gesagt, daß einige seiner Mandanten von der Vornehmheit unserer Kanzlei eingeschüchtert waren, daß sie sich in seinem neuen Büro wohler fühlen würden. Dann sagte er, ich würde vertrocknen und verschwinden, wenn ich mich nicht, wie er es ausdrückte, auf die Welt einstellte. Mein Gott! Du solltest ihn reden hören, als ob man ihn heiliggesprochen hätte! Einer seiner Mandanten warf der Rezeptionistin Rassismus vor, nur weil sie ihn gebeten hatte, einen Aschenbecher zu benutzen, statt seine Zigarette auf dem Teppich auszutreten. Und heute halfen ihm zwei Männer, die aussahen wie Spione aus einem Comic-Heft, seine verdammten Kartons zu packen. Nein, wir werden sie nicht wiedersehen, und dasBoot kann er haben. Ich habe mir nie besonders viel daraus gemacht. Ja, eigentlich ist es nur eine Last gewesen.»
    Ein heftiger Schmerz

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