Was am Ende bleibt
Lustiges erzählen. Manchmal schläft er hier mit mir. Wir liegen die ganze Nacht zusammen, die Arme umeinander geschlungen, und ich wache in der Nacht auf, und ich bin glücklich. Das ist so eine Art Liebe, oder, Sophie? Wir können einfach nur so sein, wie wir sind, miteinander. Wenn er nicht vorbeikäme, um mich zu besuchen, würde ich, so denke ich, davonfliegen wie die Samen einer Pusteblume. Manchmal, am späten Nachmittag, sitze ich stundenlang herum, bis der Abend kommt. Wenn es dunkel ist – nicht, daß es in der Stadt jemals wirklich dunkel sein könnte –, stehe ich auf und mache mir ein kleines Abendessen, ein Kotelett, ein paar tiefgefrorene Limabohnen. Wenn er hier ist, dann muß ich natürlich ein Gourmet sein. Tage wie Papiergirlanden. Alles, was ich habe, ist dieser alte Mann, den ich vor zwanzig Jahren fallenließ, nachdem er einen trotzkistischen Vamp namensCarla geschwängert hatte.» Sie beugte sich mit plötzlicher Intensität vor. «Er hat Angst», sagte sie leise. «Er glaubt, daß einer seiner Studenten versuchen könnte, ihm Drogen zu verabreichen. Er sagt, sie würden ihm die ganze Zeit mit Drogen in den Ohren liegen. Jetzt hat er Angst, in der Cafeteria an der Universität einen Kaffee zu trinken. Er glaubt sogar, daß der Speisesaal der Fakultät gefährlich sein könnte. Kurz bevor du gekommen bist, hat er mir gesagt, er wisse jetzt, welch große Angst alte Damen davor hätten, vergewaltigt zu werden. Er sagt, er würde das genauso empfinden …» Sie blickte zurück in die Küche. Ihre Mundwinkel waren nach unten gezogen. «Obwohl er, weiß Gott, ständig auf dem Trip ist, seit er diesen sexbeduselten Blaustrumpf geheiratet hat», sagte sie angewidert. «Ach … du siehst, wie es steht. Ich habe bei dir angefangen und ende bei mir.»
Claire wartete, daß sie etwas sagte, aber Sophie schwieg verwirrt.
«Sophie?»
«Nein, nein. Es ist längst zu Ende», sagte Sophie. «Ich habe ihn einmal getroffen. Er war höflich. Das ist alles. Ich wollte dich sehen, und ich war dankbar, als du mich gebeten hast zu kommen. Ich vermute, daß ich von meinem Nichtstun deprimiert bin.»
«Wir haben beide keine Kinder», sagte Claire mit einer Spur Verwunderung in der Stimme.
Sophie lachte. «Nun hör aber auf!» sagte sie brüsk und revanchierte sich bei Claire mit irgend etwas, vielleicht damit, daß sie mitten in der Nacht mit einem Glücksgefühl erwachte.
«Na ja … wie geht es Otto?»
«Das hast du mich schon einmal gefragt», erwiderte Sophie. «Es geht ihm eigentlich gut. Ich glaube, es geht ihm besser als manch anderen, vielleicht weil er nicht sosehr zur Selbstbeobachtung neigt. Er ist zu sehr damit beschäftigt, eine geheimnisvolle Ausdünstung zu bekämpfen, von der er glaubt, daß sie ihn ersticken wird. Er glaubt, Abfälle seien eine gegen ihn persönlich gerichtete Beleidigung, und er versucht immer noch, das Geschirr abzuspülen, ehe wir überhaupt mit dem Essen fertig sind.»
«So eine Gemeinheit!» rief Leon aus, der in der Tür stand und ein Glas abtrocknete. «Kein Wunder, daß Männer weinen.»
«Ich habe keine Männer weinen sehen», sagte Claire.
Aber Sophie verspürte ein Zittern, das sie ins Herz zu treffen schien. Sie wußte, daß ihr Gesicht rot und ihr Atem kurz geworden war. Sie hatte nicht so … böse klingen wollen. Und gestern nacht hatte sie gewünscht, Charlie würde fortfahren zu behaupten, daß Otto unmenschlich, abgekapselt sei. «Es tut mir leid», sagte sie. «Leon hat recht. Wenn ich den Mund öffne, fallen Kröten heraus. Es tut mir leid.»
Leon sah erst überrascht, dann verlegen aus. Er hielt ein Glas in die Höhe. «Claire, so trocknet man ein Glas ab!» Aber es schwang kein schikanöser Ton in seiner Stimme mit. Claire murmelte etwas über ein Huhn, stand von ihrem Stuhl auf und ging in die Küche, und Sophie, der es widerstrebte, mit dem Echo ihrer eigenen Worte allein gelassen zu werden, folgte ihr.
«Ich sollte jetzt wohl besser gehen», sagte sie zweifelnd und sah Leon an, der eine Arbeitsfläche abwischte, und dann Claire, die auf ein großes, in einer Pfanne vor sich hin bratendes Huhn hinunterstarrte. «Du brauchst nicht zu gehen», sagte Claire über die Schulter.
«Was machst du zu diesem Vogel?» fragte Leon.
«Estragon und Sahne», antwortete sie.
«Wer kommt denn?»
«Edgar und sein neuer Freund, irgendein Friseur.»
«Darf ich bleiben?»
«Nein.»
«Mit was für miesen Leuten du dich umgibst! Und ich nehme an, du wirst diese
Weitere Kostenlose Bücher