Was am Ende bleibt
geholt hatte, und berührte mit einem rauhen Fingernagel Sophies Hand. «Was ist das?»
«Eine Katze hat mich gebissen.»
«Hoffentlich eine, die du kennst.»
«Eine Streunerin.»
«Hast du das untersuchen lassen?»
Sophie ließ den Stiel der Trauben los und zog ihre Hand zurück. «Es ist nichts», sagte sie.
«Mich hat einmal ein Lama gebissen», sagte Leon mit verträumter Stimme. «Widerwillig habe ich einmal Benny in den Kinderzoo mitgenommen, als er noch klein war – es war das, was damals von einem erwartet wurde –, und ein schmutziges, verrücktes Lama streckte den Kopf über den Zaun und stieß seinen Kiefer in meine Hand. Es war, als würde man von schmutziger Wäsche gebissen.»
«Katzenbisse sind immer gefährlich», sagte Claire.
«Es ist schon viel besser», sagte Sophie.
«Die Trauben sind sauer», beschwerte sich Leon.
«Zeig mal her. Wann ist das passiert?» wollte Claire wissen.
Sophie schüttelte den Kopf und sagte in entschiedenem Ton: «Es ist egal.»
«Du wirst wohl noch in Supermärkten Wurzeln schlagen, was, Claire? Mein Gott! Wenn ich so viel Freizeit hätte wie du, würde ich meine Einkaufstasche durch die ganze Stadt tragen, bevor ich mich mit sauren Trauben zufriedengäbe.»
«Ach, Leon, halt den Mund!»
Dafür, daß er am Rand des körperlichen Zusammenbruchs gewesen zu sein schien, stand er mit überraschender Energie vom Tisch auf. Er fing an, die Teller übereinanderzustapeln. Sophie schob ihren Stuhl zurück, bereit, ihm zu helfen. «Nein», sagte Claire, «rühr sie nicht an. Er macht das immer. Es ist Teil der Abmachung.»
Die beiden Frauen standen einen Augenblick am Fenster. Ein Lastwagen fuhr vorbei, ein Auto, dann ging ein Mann mit einem leeren Eimer vorbei; zwei kleine Frauen mit großen Hüten hielten sich fest untergehakt und bewegten sich herausfordernd durch unsichtbare Menschenmassen.
«Hast du hier in der Gegend eigentlich jemals Angst?»
«Nein», sagte Claire. «Ich habe vor so etwas keine Angst.»
«Überhaupt nicht?»
«Im Augenblick nicht. Jedenfalls nicht diese Woche.»
In der Küche knallten Teller. «Setzen wir uns hin», sagte Claire. Sie gingen ins Wohnzimmer zurück. «So ist es», sagte Claire. «Wenn jemand mich auf der Straße erschießt, geht es zack, zack, einfach so! Mir wäre das lieber, als in einem Operationssaal darauf zu warten, daß irgend jemand den Korridor vom Labor herunterkommt mit der scheußlichen Nachricht auf einem Stück Glas.»
«Dein Küchenschwamm sieht aus wie eine zerfressene Leber», rief Leon aus der Küche.
«Nimm dein Hemd», sagte Claire. Sie betrachtete Sophie, die hin und her rutschte und nicht wußte, warum sie sich so unbehaglich fühlte. Sie wußte, daß Claire gelegentlich dazu neigte, etwas orakelhaft daherzureden – so wie eine Schwindlerin, und war sie das nicht auch? Sophie war immer noch unruhig.
«Du hast so lange nicht angerufen», sagte Claire schließlich. «Ich habe mich gefragt, was mit dir los ist. Und du kennst mich, ich rufe nie jemanden an.»
«Ich weiß nicht. Mir war danach zumute, dich zu besuchen.»
«Ach, ich freue mich, dich zu sehen. Hier ist es ziemlich trostlos, und dich umgibt etwas Luxuriöses, etwas, was mich an schöne Dinge erinnert. Aber du bist so entrückt! Ich konnte es die ganze Zeit, während Leon und ich unsere verrückte Show abzogen, fühlen. Wir kennen uns jetzt schon eine lange Zeit. Bist du wieder mit diesem Mann zusammen? Kann mich nicht an seinen Namen erinnern. Vielleicht hast du ihn mir auch nie gesagt. Duwarst so wütend, als ich dir sagte, daß er meiner Meinung nach ein Fiesling war.»
«Weil du der Meinung warst, daß das, was ich tat, schlecht von mir war …»
«Schlecht, schlecht, schlecht», sagte Claire lächelnd. «Ja, das habe ich gedacht. Aber es war leicht für mich, das zu sagen. Ich habe nie …» Sie zögerte und wandte sich zur Küche um, wo sie beide Leon mit der unbeirrbaren, beherrschten Wildheit eines tanzenden Bären aufräumen sahen. «Ich habe niemals so etwas erlebt», fuhr Claire fort. «Mit
ihm
bin ich dem vermutlich am nächsten gekommen.» Sie gestikulierte über ihre Schulter in Richtung Küche. «Und nicht, als wir verheiratet waren. Da nicht. Es muß dir lächerlich vorkommen … Aber er rührt mich, verstehst du. Ich habe nicht das Gefühl, daß ich noch genug Zeit für irgend etwas anderes habe als für die Wahrheit … über mich selbst. Ich glaube, mir hat Sex niemals wirklich Spaß gemacht. Ich werde dir etwas
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