Was am Ende bleibt
Venusmuscheln servieren, die du so gefoltert hast, und
meinen Wein
!»
Claire, von deren Lippen schlaff eine Zigarette herabhing, besprenkelte das Huhn mit etwas Wasser; ein paar Ascheflocken der Zigarette schwebten hinunter, um sich mit dem Estragon zu mischen.
«Schwule!» rief Leon und spülte den Schwamm aus.
«Laß uns nächste Woche im Plaza Tee miteinander trinken», sagte Claire zu Sophie. «Ich mache mich fein, und wir sitzen im Palm Court und unterhalten uns über den Krieg und über Filme.»
«Frauen, die sich mit Homosexuellen herumtreiben, sind Spinnen», sagte Leon und berührte mit einem Finger sanft die Hühnerbrust.
«Danke für das Mittagessen, Claire. Es war nett, Sie zu sehen, Leon», sagte Sophie.
Leon lachte. «Es ist niemals nett, mich zu sehen», sagte er. Ein Büschel grauer Haare fiel über eines seiner mit Tränensäcken beschwerten Augen. Mit einer raschen Berührung schob Claire es über seine Stirn zurück. Er grunzte und verzog das Gesicht.
An der Tür sagte Claire: «Kümmere dich um dein Problem mit der Katze.» Sie reichte Sophie ihren Mantel. «Ist der schön! Woher ist er? Irland? Frankreich? Du trägst den Erdball auf deinem Rücken, Sophie. Vergiß nicht, mich anzurufen, und mach dir keine Sorgen wegen Charlie und Otto. Otto wird es besser gehen, wenn er allein ist. Da fällt mir ein … Warte!» Und sie ließ Sophie abrupt stehen, eilte die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, und ihr Rock flatterte über ihrenweißen Beinen. Als sie zurückkam, hielt sie ein Buch in der Hand. «Otto hat es mir vor einem Jahr ausgeliehen. Sag es ihm nicht, aber ich habe es nicht zu Ende gelesen. Er hatte sich so gefreut, als ich sagte, daß es mich interessieren würde. Und es hat mich interessiert, damals. Ich habe es angefangen.» Sie überreichte es ihr. Es war
Das Gewohnheitsrecht
von Oliver Wendell Holmes junior.
Als Sophie es in Händen hielt, merkte sie, daß Otto ihr abhanden gekommen war, und das Buch war der einzige handfeste Beweis dafür, daß er immer noch irgendwo existierte. Vorahnungen und Traurigkeit erfüllten sie, und ihr an Claire gerichteter Abschiedsgruß war beinahe unhörbar.
Die Tür ging zu.
9
Sophie rannte die Treppe hinunter und durch die Eingangshalle und kam vor der Tür des Gebäudes zu einem atemlosen Stillstand. Eine Haarnadel, die sich gelockert hatte, rutschte am Rücken ihres Kleides entlang nach unten und fiel auf den Gehsteig. Sie sah auf ihre Uhr. Es war vier. Sie glaubte nicht, daß die beiden dort oben im ersten Stock über sie redeten. Ihr Besuch war für sie nur eine kleine Ablenkung gewesen, ja vielleicht sogar ein Ärgernis. Sie bemerkte, daß jemand sie beobachtete, blickte auf und sah einen alten Mann, der sie träge anstarrte. Ein grauer Pudel saß zu seinen Füßen. Wie bekannt ihr der Mann vorkam! Ein Charakterschauspieler? Eines jener vertrauten namenlosen Gesichter, die sie ein Dutzendmal gesehen hatte – der Herzog,
my Lord,
ist in den Händen der Franzosen. Sie lächelte ihn an, und er verneigte sich.
In einem Hotelfoyer am Central Park West fand sie eine Telefonzelle. Sie wählte Francis’ Büro an. Natürlich war heute niemand da. Sie hatte ihrem kleinen Laster schon lange nicht mehr gefrönt. Wieder einmal bewegte sie sich mittels Telefonleitung zwischen den ramponierten Aktenschränken und den Bücherstapeln unter der Baiserdecke. Sie ließ das Telefon lange läuten. Dann wählte sie Charlie Russels Nummer. Ein Kind nahm ab. Sie erinnerte sich plötzlich wehmütig an die Russel-Kinder, kleine, braune Lästermäuler, während eines Sommerbesuchs Jahre zuvor in Flynders. «Spreche ich mit Stuart?» fragte sie. «Hier ist Sophie.»
«Okay», sagte der Junge. «Willst du meine Mutter?»
«Ja.»
Sie hörte ihn schreien: «Ma!» Er blies seinen Atem ins Telefon. «Moment.»
«Ja?» fragte Ruth.
«Hier ist Sophie.»
«Ja.»
«Wie geht es dir, Ruth?»
«Ausgezeichnet.»
«Ich rufe wegen dieses ganzen Ärgers an. Es tut mir so leid.»
«Was für ein Ärger? Was tut dir leid?»
«Charlie und Otto … daß es alles aus ist.»
«Das würde ich nicht Ärger nennen.»
Sophie klammerte die Hand fester um den Hörer.
«Wie geht es den Kindern?»
«Den Kindern geht es fabelhaft.»
«Stuart klang schon so erwachsen.»
«Er ist erwachsen. Phantastisch. Diesen Sommer geht er wieder in das Tennis-Camp. Es ist unglaublich, wie es sein Selbstbewußtsein gestärkt hat. Es ist ein sehr seriöses Camp. Ich meine, der
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