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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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Krankenakten, Flaschen, Retorten, mehreren Telefonen und einer kleinen, eingebeulten Kaffeekanne. In dem Raum befanden sich mehrere Patienten, die schon lange dort sein mußten. Eine alte Frau tauchte ihre Hand in ein Waschbecken mit seifiger Flüssigkeit, starrte dabei geradeaus und biß sich auf die Unterlippe. Die dünnen weißen Haare auf beiden Seiten ihrer Stirn hoben und senkten sich, während zwei Krankenschwestern vor ihr hin und her liefen. Ein Mann mit einer blutigen, klaffenden Wunde am Bein starrte auf diese, ebenso wie ein dunkelhäutiger junger Arzt, der vielleicht aus Westindien kam. Gegen einen Heizkörper gelehnt, redete ein zahnloser Krankenhauswärter mit aufgeknöpftem Jackett auf eine Krankenschwester, die eine Subkutanspritze aufzog, ein und grinste sie anzüglich an. DieSchwester, die die Bentwoods hereingeführt hatte, ließ die beiden stehen und verschwand hinter einem Vorhang. Pfleger bewegten sich gleichgültig um sie herum. Aber nach der Trostlosigkeit des Wartezimmers hatte dieser Raum eine eindrucksvolle Atmosphäre, die einen geradezu willkommen hieß. Hier gab es Gespräche, Arbeit, Lösungen.
    Ein schwarzer Krankenpfleger, ein stämmiger Mann mit eckigem Kopf, einer Haut von der Farbe dunklen Bernsteins und kleinen strahlenden Augen, die aus einem Netz roter Äderchen heraus funkelten, ging auf Sophie zu und betrachtete sie nachdenklich.
    «Okay, Honey», sagte er. «Also, du bist diejenige, die von einer Katze gebissen wurde, stimmt’s? Also, zeig’s mir, Honey.»
    Während sie die Hand ausstreckte, stieß der Mann mit der Wunde am Bein einen kurzen, rostigen Schrei aus, als habe er erst in diesem Augenblick begriffen, daß er das Recht hatte aufzuschreien. «Nein, nein …», sagte der Arzt leise.
    «Ich nehme dir diese Hand schon nicht weg», sagte der Neger besänftigend. Sie verspürte diese uralte Beruhigung, die sie früher einmal für die natürliche Eigenschaft dunkelhäutiger Menschen gehalten hatte – als wären sie überlegene Betreuer schwachen weißen Fleisches. Ihre Hand hielt auf halbem Weg zwischen ihnen inne; sie sah ihn durchdringend an, nahm eine Sekunde lang die Existenz einer Welt unbekannter Meinungen über sie selbst, über ihre Kleider und ihre Haut und ihren Geruch wahr. Dann stieß sie ihm ihre Hand entgegen. «O ja», sagte er nachdenklich. «Ich sehe schon.»
    Eine Krankenschwester mit einem Gesicht, das aussah, als hätte es ein Kind mit einem rosaroten Buntstift gezeichnet, schielte über die Schulter des Negers aufSophies Hand, sagte dann etwas zu einem Pfleger, der neben dem Schalter stand. Dieser griff nach dem Telefon und wählte eine Nummer.
    «Wir müssen es melden, wissen Sie», sagte die Schwester.
    «Es melden?» echote Otto.
    Die Beunruhigung in seiner Stimme verstärkte Sophies eigene Unruhe, und sie rückte mit einem unbehaglichen Gefühl von ihm ab.
    «Was wollen Sie damit sagen?» fragte sie die Schwester spitz.
    «Der Polizei. Selbstverständlich müssen wir es melden. Alle Tierbisse.» Sie schüttelte streng den Kopf, dann wiederholte sie: «Wir müssen es melden.»
    «Wie heißt sie?» fragte der Pfleger ungeduldig. Die Krankenschwester hob ein Stück Papier hoch. «Mrs. Sophie Bentwood», erwiderte sie, buchstabierte den Namen und nannte die Adresse. Dann wandte sie sich wieder Sophie zu.
    «Also, wann ist das passiert?»
    «Gestern.»
    «Gestern? Warum sind Sie dann nicht gestern gekommen? Gestern!»
    «Ich habe es nicht für notwendig gehalten.»
    «Oho, da haben Sie sich aber geirrt!» sagte die Schwester.
    «Roll den Ärmel hoch, Darling», sagte der Neger.
    «Wozu?» fragte Sophie kindisch, paranoid, beschämt.
    «Eine kleine Tetanus, Honey. Roll nur deinen Ärmel hoch, Darling, und die Schwester wird sich dann darum kümmern.» Er wartete geduldig, bis sie tat, was er ihr befohlen hatte, und ging dann hinüber zu der alten Frau, deren Gesicht sich, während er näherkam, mit Zuversicht aufhellte. Eine andere Schwester, vergnügt und mit losemMundwerk, sah sich Sophies Hand an, die jetzt wie ein Ausstellungsstück auf der Theke lag.
    «Vermute, es ist nicht der beste Augenblick zu fragen, aber hätten Sie nicht gern ein Kätzchen, hm? Ein schönes Perserkätzchen? Die Katze einer Freundin von mir hat drei Junge bekommen, und eines ist noch übrig.»
    Der Wärter lachte. «Im Augenblick will sie keine Katze», sagte er. Genau in diesem Moment schob ein Pfleger ein Bett vorbei; darauf lag ein kleiner schwarzer Mann,

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