Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
entgegen.
III
Am Fuß der Treppe, die über neun Absätze geführt hatte, saß wartend ein Kind – ein Mädchen von etwa fünf Jahren. Das Kind trug einen hellblauen Kittel, hatte wehendes rotbraunes Haar und die zartesten Hände, die Elaine jemals gesehen hatte.
Elaines Herz wurde weit. Das Mädchen blickte zu ihr hoch und schrak zurück. Elaine wusste, was der Blick dieser hübschen braunen Augen, diese unausgesprochene Bitte um Vertrauen, dieses Zurückschrecken vor den Menschen zu bedeuten hatte. Es war kein Menschenkind – nur ein Tier in Menschengestalt, vielleicht ein Hund, dem man später beibringen würde, zu sprechen, zu arbeiten und nützliche Dienste zu verrichten.
Das Mädchen erhob sich, stand da, als ob es gleich davonlaufen würde. Elaine hatte das Gefühl, dass sich das kleine Hundemädchen noch nicht schlüssig war, ob es ihr nun entgegen- oder von ihr fortlaufen sollte. Sie wollte nichts mit einem Untermenschen zu tun haben – welche Frau wollte das schon? –, aber ebenso wenig wollte sie das kleine Ding in Furcht versetzen. Schließlich war es wirklich sehr klein und noch so jung.
Die beiden standen sich einen Augenblick gegenüber, das kleine Ding unsicher, Elaine gespannt. Schließlich sprach das Tiermädchen.
»Frag sie!«, befahl sie, und es war ein Befehl.
Elaine war überrascht. Seit wann erteilten Tiere Befehle?
»Frag sie!«, wiederholte das kleine Ding. Sie deutete auf ein Fenster, über dem das Wort REISEAUSKUNFT stand. Dann rannte das kleine Mädchen davon. Ein blaues Aufblitzen ihres Kleides, ein weißer Schimmer ihrer Sandalen, und sie war verschwunden.
Elaine stand stumm und verwirrt in der leeren Stadt.
Das Fenster sprach sie an: »Sie können ruhig näher treten. Sie wissen, dass Sie es tun werden.«
Es war die weise, reife Stimme einer erfahrenen Frau – eine Stimme, aus der ein gluckerndes Lachen herauszuhören war, mit einem Unterton von Sympathie und Erregung. Die Aufforderung war nicht nur eine Aufforderung. Sie war, von Beginn an, ein fröhlicher privater Scherz zwischen zwei weisen Frauen.
Elaine überraschte es nicht, dass eine Maschine mit ihr sprach. Ihr ganzes Leben lang war sie von Tonaufzeichnungen ausgebildet worden. Aber irgendwie war ihr die ganze Situation nicht klar.
»Ist dort jemand?«, fragte sie.
»Ja und nein«, antwortete die Stimme. »Ich bin die REISEAUSKUNFT, und ich helfe jedem, der hier vorbeikommt. Sie haben sich verirrt, sonst wären Sie nicht hier. Strecken Sie Ihre Hand durch mein Fenster.«
»Was ich meine«, sagte Elaine, »ist, sind Sie ein Mensch oder sind Sie eine Maschine?«
»Das kommt darauf an«, sagte die Stimme. »Ich bin eine Maschine, aber vor langer, langer Zeit war ich ein Mensch. Eine Lady, um es genau zu sagen, und zwar eine Lady der Instrumentalität. Aber meine Zeit kam und ich wurde gefragt : ›Sind Sie einverstanden, dass wir einen maschinellen Abdruck Ihrer gesamten Persönlichkeit anfertigen? Das wäre sehr nützlich für die Informationsstände.‹ Und natürlich sagte ich ja, und sie machten die Kopie, und ich starb, und sie schossen meinen Leichnam mit den üblichen Ehren in den Weltraum, aber trotzdem war ich hier. Es war ein merkwürdiges Gefühl, in diesem komischen Apparat zu sein, mich umzuschauen und mit Leuten zu sprechen und ihnen gute Ratschläge zu geben und beschäftigt zu sein, bis sie die neue Stadt bauten. Also, was meinen Sie? Bin ich ich oder bin ich es nicht?«
»Ich weiß es nicht, Ma’am.« Elaine trat zurück.
Die warme Stimme verlor ihren humorvollen Klang und wurde befehlend. »Dann geben Sie mir Ihre Hand, damit ich Sie identifizieren und Ihnen sagen kann, was Sie tun sollen.«
»Ich glaube«, sagte Elaine, »dass ich die Treppen hinaufsteigen und durch die Tür in die obere Stadt zurückkehren werde.«
»Und mich«, beklagte sich die Stimme in dem Fenster, »damit um mein erstes Gespräch mit einem Wahren Menschen seit vier Jahren bringen?« Etwas wie Entrüstung lag in der Stimme, aber die Wärme und der Humor waren nicht ganz verschwunden, und auch Einsamkeit schwang mit.
Der Ton der Einsamkeit änderte Elaines Entschluss. Sie trat an das Fenster und legte ihre Hand flach auf das Sims.
»Du bist Elaine«, rief das Fenster. »Du bist Elaine . Die Welten warten auf dich. Du bist von An-fang, wo alle Dinge beginnen, vom Friedensplatz in An-fang, auf der Alten Erde!«
»Ja«, bestätigte Elaine.
Die Stimme überstürzte sich beinahe vor Aufregung. »Er wartet auf
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