Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
Für jeden von uns ist er gleich. Sei nicht besorgt. Geh geradeaus weiter, und vielleicht findest du dann Erbarmen und Liebe. Sie sind viel wertvoller als der Tod, du musst sie nur finden. Und wenn du sie einmal gefunden hast, dann spielt der Tod keine große Rolle mehr.«
»Ich weiß noch immer nicht, was ›Erbarmen‹ bedeutet«, sagte Elaine, »aber ich dachte, ich wüsste, was ›Liebe‹ ist, und ich erwarte eigentlich nicht, meinen Geliebten in einem schmutzigen alten Gang voller Untermenschen zu finden.«
»Ich meine nicht diese Art Liebe«, lachte Baby-Baby und hielt Mabel, die sich einmischen wollte, mit einem Winken ihrer Krallenhand zurück. Das alte Mäusegesicht leuchtete vor Begeisterung. Plötzlich konnte sich Elaine vorstellen, wie Baby-Baby auf einen Mäuse-Untermann gewirkt haben musste, als sie noch jung und glatt und ihr Fell von einem glänzenden Grau gewesen war. Verzückung erfüllte die alten Züge mit Jugendlichkeit, als Baby-Baby fortfuhr : »Ich meine nicht die Liebe, die man einem Geliebten entgegenbringt, Mädchen. Ich meine Liebe zu sich selbst. Liebe zum Leben. Liebe zu allen lebenden Wesen. Liebe sogar zu mir. Deine Liebe zu mir. Kannst du dir das vorstellen?«
Müdigkeit erfüllte Elaine, aber sie versuchte, die Frage zu beantworten. In dem gedämpften Licht musterte sie das faltige alte Mäuseweib mit ihren schmutzigen Kleidern und ihren kleinen roten Augen. Das flüchtige Bild der schönen jungen Mäusefrau war verschwunden; vor ihr stand jetzt nur dieses überflüssige alte Geschöpf mit seinen unmenschlichen Forderungen und sinnlosen Bitten. Die Menschen liebten die Untermenschen nicht. Sie benutzten sie wie Stühle oder Türklinken. Seit wann beanspruchte eine Türklinke die Charta der Alten Rechte?
»Nein«, erklärte Elaine ruhig und gelassen, »ich kann mir nicht vorstellen, dich jemals zu lieben.«
»Das wusste ich«, sagte Crawlie von ihrem Stuhl aus. Triumph klang in ihrer Stimme mit.
Charley-mein-Liebling schüttelte den Kopf, wie um besser sehen zu können. »Weißt du denn nicht einmal, wer Fomalhaut III regiert?«
»Die Instrumentalität«, antwortete Elaine. »Aber müssen wir wirklich unser Gespräch fortsetzen? Lasst mich gehen, oder tötet mich, oder unternehmt sonst etwas. Das ist doch alles völlig sinnlos. Ich war müde, als ich hier eintraf, und jetzt bin ich noch um eine Million Jahre müder.«
»Bring sie weg«, sagte Mabel.
»In Ordnung«, nickte Charley-mein-Liebling. »Ist der Jäger da?«
Das Kind H’jeanne meldete sich zu Wort; sie hatte in der hintersten Reihe gestanden. »Er hat vorhin den anderen Weg genommen, als sie hereinkam.«
»Du hast mich angelogen«, beschwerte sich Elaine bei Charley-mein-Liebling. »Du sagtest, es gebe nur einen Weg.«
»Ich habe nicht gelogen«, widersprach er. »Es gibt nur einen Weg für dich oder für mich oder für die Freunde von Lady Panc Ashash. Der Weg, den du gekommen bist. Der andere Weg ist der Tod.«
»Was meinst du damit?«
»Ich meine, dass er direkt in die Schlachthäuser der Menschen führt, die du nicht kennst. Die Schlachthäuser der Lords der Instrumentalität, die sich hier auf Fomalhaut III befinden. Da ist zum Beispiel Lord Femtiosex, der gerecht und ohne Mitleid ist. Dann gibt es Lord Limaono, der die Untermenschen für eine potenzielle Gefahr hält und der Meinung ist, man hätte sie von Anfang an gar nicht erst züchten sollen. Außerdem ist da noch Lady Goroke, die nicht weiß, wie man betet, die aber versucht, die Geheimnisse des Lebens zu ergründen, und den Untermenschen stets Freundlichkeiten erwiesen hat, solange diese Freundlichkeiten nicht gegen die Gesetze verstießen. Und als Letztes gibt es Lady Arabella Underwood, deren Gerechtigkeit kein Mensch versteht. Und auch kein Untermensch.«
»Wer ist sie? Ich meine, woher hat sie ihren seltsamen Namen? Er ist ohne Nummer. Er ist genauso ungewöhnlich wie eure Namen. Oder mein eigener.«
»Sie kommt von Altnordaustralien, der Stroon-Welt, und sie wurde an die Instrumentalität ausgeliehen und folgt den Gesetzen, unter denen sie geboren ist. Der Jäger kann durch die Räume und Schlachthäuser der Instrumentalität gehen, aber könntest du das auch? Könnte ich es?«
»Nein«, sagte Elaine.
»Dann also vorwärts«, forderte sie Charley-mein-Liebling auf, »deinem Tod oder großen Wundern entgegen. Soll ich vorausgehen, Elaine?«
Elaine nickte wortlos.
Die Mäusefrau Baby-Baby tätschelte Elaines Arm, und ihre Augen waren von
Weitere Kostenlose Bücher