Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
Freund zu sein. Was würde Mercer zustoßen? Dasselbe wie den anderen.
Mercer trat hinaus.
Nichts geschah. Der Tag war kühl. Der Wind strich freundlich über seine verhärtete Haut.
Mercer blickte sich besorgt um.
Der berggleiche Körper des Kapitän Alvarez verdeckte einen Großteil der zur Rechten liegenden Landschaft. Mercer verspürte kein Verlangen, mit ihm etwas zu tun zu bekommen. Er blickte zum Haus zurück. S’dikkat sah nicht aus dem Fenster.
Mercer ging langsam geradeaus weiter.
Am Boden blitzte etwas auf, nicht heller als das Glitzern einer Glasscherbe im Sonnenlicht, und Mercer spürte einen Stich im Oberschenkel, als ob ihn ein spitzes Instrument leicht berührt hätte. Er rieb sich die Stelle.
Es war, als ob der Himmel über ihm zusammenbrechen würde.
Ein Schmerz – es war mehr als ein Schmerz, es war ein lebendiges Pulsieren – lief auf der rechten Seite von der Hüfte bis hinunter zum Fuß. Dann stieg es hoch zu seiner Brust, raubte ihm den Atem. Er fiel, und der Aufprall auf dem Boden tat weh. Er lag unter freiem Himmel, versuchte nicht zu atmen, aber er atmete trotzdem. Bei jedem Atemzug bewegte sich das Pulsieren mit dem Heben und Senken seines Brustkastens. Er lag auf dem Rücken, mit dem Gesicht zur Sonne. Schließlich bemerkte er, dass die Sonne weißviolett war.
Es hatte keinen Sinn, an Schreien auch nur zu denken. Er besaß keine Stimme mehr. Schmerz und Not rankten sich zuckend durch sein Inneres. Da er nicht aufhören konnte, zu atmen, konzentrierte er sich darauf, so Luft zu holen, dass es ihn nicht so sehr schmerzte. Tief einzuatmen bedeutete eine zu große Anstrengung, winzige Schlückchen Luft taten ihm am wenigsten weh.
Die Wüste, die ihn umgab, war leer. Er konnte den Kopf nicht drehen, um das Haus anzusehen. Ist es das?, dachte er. Ist eine Ewigkeit hiervon die Strafe von Shayol?
Stimmen klangen in seiner Nähe auf.
Zwei Gesichter von groteskem Rosa blickten auf ihn herab. Es hätten menschliche Gesichter sein können. Der Mann wirkte normal genug, sah man einmal davon ab, dass er zwei Nasen nebeneinander besaß. Die Frau war eine unglaubliche Karikatur eines Menschen. Auf jeder Wange war ihr eine Brust gewachsen und ein ganzes Büschel nackter Babyfinger hing schlaff von ihrer Stirn herab.
»Er ist hübsch«, sagte die Frau. »Ein Neuer.«
»Komm, hilf mir«, sagte der Mann.
Sie zogen ihn hoch, stellten ihn auf die Beine. Er besaß nicht genügend Kraft, um sich zu wehren. Als er etwas zu ihnen sagen wollte, drang ein rauer krächzender Laut, fast wie der Schrei eines hässlichen Vogels, aus seinem Mund.
Mit vereinten Kräften stützten sie ihn. Er bemerkte, dass sie ihn zu der Herde der rosa Lebewesen hinüberschafften. Als sie dort ankamen, erkannte er, dass es Menschen waren. Oder besser: einst Menschen gewesen waren. Ein Mann mit dem Schnabel eines Flamingos pickte an seinem eigenen Körper herum. Auf dem Boden lag eine Frau; sie besaß nur einen Kopf, aber außer dem Körper, der offenbar ihr eigener war, wuchs ihr noch ein nackter Knabenkörper seitlich aus dem Hals. Der Knabenkörper, sauber, neu, gelähmt, gab außer einem schwachen Atmen kein Lebenszeichen von sich.
Mercer blickte sich um. Der Einzige in der ganzen Gruppe, der Kleider trug, war ein Mann, der seitlich von ihm in einen Mantel gehüllt dastand. Mercer sah ihn an, bis er bemerkte, dass dem Mann zwei – oder waren es drei? – Mägen aus dem Unterleib wuchsen. Der Mantel stützte sie. Das durchsichtige Bauchfell wirkte sehr dünn.
»Ein Neuer«, sagte die Frau, die ihn gefunden hatte. Zusammen mit dem doppelnasigen Mann legte sie ihn hin.
Die Menschen lagen verstreut auf dem Boden.
»Ich befürchte«, sagte die Stimme eines alten Mannes, »dass wir gleich wieder gefüttert werden.«
Protest wurde laut: »O nein!« – »Es ist noch zu früh!« – »Nicht schon wieder!«
Die Stimme des alten Mannes fuhr fort: »Seht doch, am großen Zeh des Berges!«
Das verzweifelte Geflüster der Leute bestätigte seine Feststellung.
Mercer wollte fragen, um was es ging, aber er brachte nur ein Krächzen zustande.
Eine Frau – war es eine Frau? – kroch auf Händen und Knien zu ihm hin. Neben ihren normalen Händen besaß sie noch am ganzen Rumpf und an den Oberschenkeln weitere Hände. Einige wirkten alt und verrunzelt, andere waren neu und rosa wie die Babyfinger auf dem Gesicht jener Frau, die ihn gefunden hatte.
Die Frau schrie ihn an, obwohl keine Notwendigkeit zum Schreien
Weitere Kostenlose Bücher