Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
soziales Gefüge aufzunehmen. Sie machten ihn mit dem Mädchen der Herde bekannt. Sie hatte einen Körper nach dem anderen produziert, ihr Becken hatte sich in Schultern verwandelt, ebenso das neu entstandene Becken darunter, bis sie so groß wie fünf Menschen war. Ihr Gesicht war unversehrt. Sie gab sich Mühe, freundlich zu Mercer zu sein.
Er war jedoch so schockiert von ihrem Anblick, dass er sich in die weiche, trockene, bröcklige Erde eingrub und dort, wie ihm schien, hundert Jahre blieb. Später erfuhr er, dass es weniger als ein ganzer Tag gewesen war. Als er wieder zum Vorschein kam, wartete das große, vielleibige Mädchen bereits auf ihn. »Du hättest meinetwegen nicht herauszukommen brauchen«, sagte sie.
Mercer schüttelte den Schmutz ab. Er blickte sich um. Die violette Sonne ging unter, und der Himmel wurde von blauen, dunkelblauen und orangefarbenen Streifen durchzogen. Er sah sie an. »Ich bin nicht deinetwegen herausgekommen. Es ist sinnlos, hier zu liegen und auf das nächste Mal zu warten.«
»Ich möchte dir etwas zeigen.« Sie deutete auf einen niedrigen Hügel. »Grab ihn auf.«
Mercer musterte sie. Sie schien nichts Übles im Schilde zu führen. Er zuckte mit den Achseln und begann mit seinen kräftigen Klauen die Erde fortzuschaufeln. Er stellte fest, dass es ihm mit der dicken Haut und den starken Nägeln an den Enden der Finger leichtfiel, wie ein Hund zu graben. Die Erde spritzte unter seinen geschäftigen Händen weg. Etwas Rosafarbenes tauchte am Grund des Loches auf, das er gegraben hatte. Er machte nun etwas vorsichtiger weiter.
Er ahnte, was es sein würde.
Und das war es auch. Es war ein schlafender Mann. Zusätzliche Arme wuchsen ihm in regelmäßigen Abständen an einer Seite des Körpers. Die andere Seite wirkte normal.
Mercer wandte sich dem vielleibigen Mädchen zu, das näher gekrochen war. »Das ist doch das, wofür ich es halte, ja?«
»Ja«, bestätigte sie. »Doktor Vomact hat ihm das Gehirn ausgebrannt. Und auch seine Augen entfernt.«
Mercer setzte sich auf den Boden. »Du hast gesagt, ich sollte ihn ausgraben. Nun will ich wissen, warum.«
»Damit du es siehst. Damit du darüber nachdenkst.«
»Das ist alles?«
Mit erschreckender Plötzlichkeit begann sich das Mädchen zusammenzukrümmen. Bei all ihren Körpern hob und senkte sich krampfhaft der Brustkorb. Mercer fragte sich, wie die Luft in all diese Lungen hineingelangte. Sie tat ihm nicht leid; niemand tat ihm leid, nur er sich selbst.
Als die Krämpfe nachließen, lächelte ihn das Mädchen entschuldigend an. »Sie haben mir nur einen neuen Körperteil eingepflanzt.«
Mercer nickte grimmig. »Was ist es diesmal, vielleicht eine Hand? Mir scheint, dass du schon genug davon hast.«
»Ach die.« Sie blickte an ihren vielen Rümpfen hinunter. »Ich habe S’dikkat versprochen, dass ich sie wachsen lasse. Er ist gut . Aber dieser Mann, Fremder – sieh dir einmal den Mann an, den du ausgegraben hast. Wer ist besser dran, er oder wir?«
Mercer starrte sie an. »Hast du mich ihn deshalb ausgraben lassen?«
»Ja.«
»Erwartest du eine Antwort von mir?«
»Nein. Jetzt noch nicht.«
»Wer bist du?«
»Niemand fragt hier danach. Es spielt keine Rolle mehr. Aber da du neu bist, werde ich es dir verraten. Ich war einst Lady Da – die Stiefmutter des Imperators.«
»Du!«, stieß er hervor.
Wehmütig lächelte sie. »Du bist noch so neu hier, dass du glaubst, es wäre wichtig! Aber ich habe dir wichtigere Dinge zu sagen.« Sie verstummte und biss sich auf die Lippe.
»Was?«, drängte er. »Sag es mir bitte, bevor ich einen weiteren Stich erhalte. Ich werde dann nicht mehr in der Lage sein, zu denken oder zu sprechen, lange Zeit nicht mehr. Sag es mir jetzt.«
Sie brachte ihr Gesicht dicht an seines heran. Es war noch immer ein liebliches Gesicht, selbst in dem verblassenden orangen Licht des Sonnenuntergangs. »Die Menschen leben nicht ewig.«
»Ja«, sagte Mercer. »Das wusste ich.«
» Glaube es«, befahl Lady Da. Lichter blitzten über der dunklen Ebene auf, waren aber noch weit entfernt. »Grab dich ein«, sagte sie. »Grab dich für die Nacht ein. Vielleicht übersehen sie dich.«
Mercer begann zu graben. Er blickte zu dem Mann hinüber, den er freigelegt hatte. Der hirnlose Körper, dessen Bewegungen so langsam waren wie die eines Seesterns unter Wasser, wühlte sich wieder in die Erde zurück.
Fünf bis sieben Tage später ging ein Rufen durch die Herde.
Mercer hatte einen Halbmenschen
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