Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
schmerzhafter Stich traf ihn im Unterleib. Die Droge warf sich auf den Schmerz und erstickte ihn. Es war wie unter der Kappe im Krankenhaus, nur tausendmal besser. Der Schmerz war verschwunden, obwohl er zu Beginn fast unerträglich gewesen war.
Mercer zwang sich zum Nachdenken. Mühevoll sammelte er seine Gedanken und sagte zu den beiden Frauen, die rosig nackt neben ihm im Staub lagen: »Das war herrlich. Was für ein Stich! Vielleicht wächst mir ein dritter Kopf. Das würde S’dikkat wirklich glücklich machen.«
Lady Da richtete sich mühsam auf. »Ich bin auch stark«, sagte sie. »Ich kann sprechen. Denk daran, Mann, denk daran. Die Menschen leben nicht ewig. Auch wir können sterben, wir können sterben wie normale Menschen. Ich glaube fest an den Tod!«
Mercer lächelte sie glückselig an. »Natürlich können wir sterben. Aber ist es so nicht schön …« Während er sprach, fühlte er, wie seine Lippen anschwollen und sein Bewusstsein sich trübte. Er war hellwach, aber er war nicht in der Lage, irgendetwas zu unternehmen. An diesem herrlichen Ort, unter all diesen umgänglichen und wundervollen Menschen saß er da und lächelte.
S’dikkat sterilisierte seine Messer.
Mercer fragte sich, wie lange das Super-Kondamin bei ihm gewirkt hatte. Er ertrug die Dienste der Dromozoen ohne schreien oder fliehen zu wollen. Die Höllenqualen seiner Nerven und das Jucken auf der Haut waren Phänomene, die sich irgendwo in der Nähe abspielten und ihn nicht betrafen. Er betrachtete seinen eigenen Körper mit flüchtigem, höflichem Interesse.
Lady Da und die mit Händen bedeckte Frau blieben bei ihm. Nach langer Zeit kroch der Halbmensch mit seinen kräftigen Armen zu ihnen herüber. Als er bei ihnen war, blinzelte er sie schläfrig und freundschaftlich an und fiel in die erholsame Apathie zurück, aus der er sich kurz befreit hatte. Einmal nahm Mercer zufällig wahr, dass die Sonne aufging, schloss rasch die Augen, und als er sie wieder öffnete, glitzerten Sterne am Himmel. Die Zeit hatte keine Bedeutung mehr. Die Dromozoen fütterten ihn auf ihre geheimnisvolle Weise; die Droge unterdrückte sein Bedürfnis nach den Zyklen des Körpers.
Schließlich spürte er, wie der Schmerz in sein Inneres zurückkehrte. Die Schmerzen selbst hatten sich nicht verändert – aber er.
Er wusste jetzt um alles, was ihm auf Shayol widerfahren konnte. Er erinnerte sich daran aus seiner glücklichen Periode. Vorher hatte er es nur bemerkt – jetzt fühlte er es.
Er wollte Lady Da fragen, wie lange die Droge gewirkt hatte und wie lange sie noch warten mussten, bevor sie wieder eine bekamen. Offenbar hatten ihre vielen Körper, die ausgestreckt auf dem Boden lagen, eine größere Speicherkapazität für die Droge als sein eigener Organismus; sie meinte es sicher gut mit ihm, aber sie war nicht in der Lage, artikuliert zu sprechen.
Der Halbmensch lag auf der Erde, und seine Arterien pulsierten hübsch hinter dem halbtransparenten Film, der seine Bauchhöhle schützte.
Mercer drückte die Schulter des Mannes.
Der Halbmensch erwachte, erkannte Mercer und schenkte ihm ein wohliges, schläfriges Lächeln. »Einen schönen guten Morgen, mein Junge! Das ist aus einem Theaterstück. Hast du jemals ein Theater besucht?«
»Du meinst ein Spielhaus?«
»Nein«, erwiderte der Halbmensch, »das ist eine Art Augenmaschine, wo echte Menschen die Figuren darstellen.«
»So etwas kenne ich nicht, aber ich …«
»Aber du möchtest mich fragen, wann S’dikkat mit der Spritze zurückkommen wird.«
»Ja«, bestätigte Mercer, und er schämte sich ein wenig für seine offensichtliche Ungeduld.
»Bald«, sagte der Halbmensch. »Deshalb denke ich ans Theater. Wir alle wissen, was geschehen wird. Wir alle wissen, wann es geschehen wird. Wir alle wissen, was die Puppen tun werden« – er deutete auf die Hügel, in denen sich die gehirnlosen Menschen eingegraben hatten – »und wir alle wissen, was die Neuen fragen werden. Aber wir wissen niemals, wie lange eine Szene dauern wird.«
»Was ist eine ›Szene‹?«, fragte Mercer. »Ist das die Bezeichnung für die Spritze?«
Der Halbmensch lachte, und sein Lachen kam richtigem Humor sehr nahe. »Nein, nein, nein. Was du im Körper gehabt hast, das war reines Glück. Eine Szene ist nur ein Teil eines Stückes. Ich meine, wir kennen die Reihenfolge, in der sich die Dinge ereignen, aber wir besitzen keine Uhren und niemand macht sich die Mühe, die Tage zu zählen oder einen Kalender
Weitere Kostenlose Bücher