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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
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sein?
    Er schüttelt den Kopf. Ich verstehe ihn. Bei mir käme noch viel weniger raus als bei einem Fachhochschulprofessor. Aber war da nicht von 3,5 Millionen die Rede? Tatsächlich:
    –   Aber man kann auch den statistischen Wert eines Lebens ermitteln, indem man sich etwa die Lohnzuschläge anguckt, die gezahlt werden, wenn es sich um eine Arbeit mit höherem Todes- oder Verletzungsrisiko handelt. Bei den vertrauenswürdigsten Studien kommen wir aktuell auf einen Wert von drei bis vier Millionen Euro.
    Da sind sie: meine 3,5 Millionen.
    –   Erinnern Sie sich an den Fall Susanne Osthoff?
    Die Archäologin, die 2005 im Irak entführt wurde. Die Bundesregierung soll damals an die vier Millionen Euro Lösegeld gezahlt haben. Spengler lächelt, oder besser: Er triumphiert.
    –   In etwa die gleiche Summe, dir wir ermittelt haben. Sicher ein Zufall, aber doch sehr interessant.
    Ich bin verdutzt. Wie errechnet oder verhandelt die Bundesregierung eigentlich die Lösegelder ihrer Staatsbürger. Und: Was wäre ich da wert? Da muß ich mal nachhaken. Zu einer entsprechenden Anfrage, die ich später an das Krisenreaktionszentrum im Bundesaußenministerium schicke, bekomme ich die Antwort, ich möge bitte verstehen, daß man sich zu einer solchen Frage nicht äußern wolle. Das verstehe ich. Allerdings gibt es zu diesem Thema auch immer wieder Diskussionen darüber, inwieweit entführte Deutsche für die Kosten ihrer Befreiung aufkommen sollen. Dabei wurde die Frage vom Bundesverwaltungsgericht im August 2008 in letzter Instanz geklärt. Demnach wird eine befreite Geisel nicht anders behandelt als ein deutscher Tourist, der in Neapel plötzlich seine Brieftasche vermißt. Der Staat verauslagt die nötigen Ausgaben wie Telefonkosten, das Geld für die Rückreise nach Deutschland oder gar einen Krankentransport – und kann hinterher das Geld zurückverlangen. In bezug auf mögliche Lösegelder hat das Urteil aber keine Auswirkung, weil die ja offiziell gar nicht gezahlt werden.
    –   Der Wert eines statistischen Lebens ist natürlich immer nureine Annäherung, aber er ist dem Produktivitätsansatz überlegen. Denn wenn es nur um das noch zu verdienende Gehalt geht, sind diese weichen, immateriellen Dinge wie der Schmerz, das Leid der Familien nicht mit dabei.
    Spengler will die »weichen« Dinge mitberechnen.
    –   Ihre 3,5 Millionen, was bedeutet das jetzt? Kann ich sagen: Nach aktuellstem Erkenntnisstand bin ich zwischen drei und 3,5 Millionen Euro wert?
    Spengler überlegt, sucht nach einer Antwort und weicht aus.
    –   Die Menschen schrecken davor zurück, sich selbst einen Wert in Geld zu geben. Der Wert bezieht sich auf ein unbekanntes, also ein statistisches Leben. Nicht auf Ihr Leben, das ist ja konkret.
    Ich finde auch, daß mein Leben »konkret« ist, wüßte aber trotzdem ganz gern, was das mit den 3,5 Millionen zu tun hat.
    –   Der Wert eines statistischen Lebens ist eine abstrakte Rechengröße. Es geht dabei vor allem um Kosten-Nutzen-Analysen im Sinne einer Risikoreduktion. Das ist insbesondere bei der Frage wichtig: Wie kann der Staat das Leben sicherer machen. Wieviel Geld setze ich zum Beispiel ein, um eine Straße sicher zu machen? Wo ist da die Grenze?
    –   Okay. Und was ist mit dem Leben eines konkreten Menschen?
    –   Auf der persönlichen Ebene ist das natürlich ein Problem.
    Das klingt einerseits beruhigend, andererseits wird es dann wohl auch schwierig, die satten 3,5 Millionen für mich persönlich zu beanspruchen.
    –   Nehmen wir an, ein Grubenarbeiter wird verschüttet, und die Medien sind vor Ort. Da wird man nicht aufhören, wenn drei Millionen verbaggert sind.
    Spengler schaut kritisch. Und ich frage mich kurz, wie es um den Grubenarbeiter stünde, wenn die Medien mal gerade nicht da wären. Spengler klagt darüber, daß der WSL in Deutschland, anders als in den USA , viel zuwenig genutzt werde. Warum?
    –   Die Ökonomen, von denen die provokativen, einige würden sagen zynischen, ich würde sagen vernünftigen Ansätze kommen, haben in den USA viel größeren Einfluß.
    Dahinter steht, so Spengler, der Wunsch nach einer effizienten Haushaltspolitik mit transparenten Kriterien. In Deutschland aber – so sein Vorwurf – würden solche Entscheidungen nach Stimmungslage und eventuell auch politischem Kalkül getroffen. Stimmungslagen gehören in Spenglers Welt allerdings wohl zu den oberweichen Faktoren, die oberschwer oder auch gar nicht zu berechnen

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