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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
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sind.
    –   Überhaupt sind die Ansätze in den USA pragmatischer. Das hat damit zu tun, wie das Land entstanden ist. Da war man schon immer freier, wenn es um die Abwägung zwischen Geld und Leben ging. In den USA hatte von Anfang an alles seinen Preis. Die sind eben progressiver, stören sich weniger an vermeintlich ethischen Problemen, gehen direkt ran.
    So gesehen steht der WSL wohl in der direkten Tradition des Cowboy-Mythos. Ich erzähle Spengler, was ich zum Wert eines statistischen Lebens in den USA gelesen habe. 2008 berichteten amerikanische Medien, daß der nationale Wert eines Durchschnittslebens in den USA in den letzten fünf Jahren gefallen war. So hatte es zumindest die damalige US -Regierung unter George W. Bush festgestellt. Die Umweltbehörde hatte den Wert reduziert, indem sie unter anderem auf den Inflationsausgleich verzichtete. Da die Höhe des Werts maßgeblich für das Zustandekommen von Gesetzen ist, gab es heftige Proteste von Umweltaktivisten. Denn erst wenn eine Neuregelung, die viel Geld kostet, auch als wichtig und materiell wertvoll anerkannt wird, hat sie vor den entscheidenden Gremien eine Chance. Die Kritiker vermuteten hinter der Absenkung politisches Kalkül der Bush-Administration, die schärfere Umweltgesetze verhindern wollte. Schließlich darf die Vermeidung von potentiellen Gesundheitsgefahren und Todesfällen nicht teurer sein als die Summe der monetär bewerteten Leben, die dadurch möglicherweise gerettet werden, aus Sicht der Bürokratie – rein rechnerisch betrachtet. Auf Nachfragenreagierte die zuständige Umweltschutzbehörde eher kleinlaut. Schon vorher, im Jahr 2002, war sie nach stürmischen Protesten gezwungen, eine Kalkulation zurückzuziehen. Demnach wäre das Leben eines US -Bürgers über 70 Jahren 38 Prozent weniger wert gewesen als das Leben eines jüngeren Amerikaners.
    –   Die Berechnungen selbst sind frei von Ideologie.
    Spengler ganz entspannt. Ein Problem sieht er nicht, gibt aber zu, daß die Zahlen je nach Ideologien und Interessen sehr unterschiedlich interpretiert werden können.
    –   Natürlich kann man das auch politisch nutzen, indem man nur bestimmte Studien heranzieht.
    Seine Offenheit überrascht mich. Das klingt doch sehr nach meinem Geschichtslehrer und der Sache mit den Huren.
    –   Wie könnte ich meinen Wert steigern, also rein statistisch?
    –   Ihr Wert steigt permanent.
    Super.
    –   Wir entwickeln uns doch ständig weiter. Vor 1000 Jahren hat man dem Leben noch nicht so einen hohen Wert beigemessen. Im Grunde ist es so: Je entwickelter eine Volkswirtschaft, je mehr die Leute sich gegenseitig respektieren, je gebildeter sie sind, desto höher ist der Wert. Der WSL wird ja gesellschaftlich gemessen. Als einzelner steigere ich ihn, indem ich mit meiner Gesellschaft auf ein höheres Bildungsniveau, auf eine höhere ökonomische Entwicklungsstufe komme. Weil gleichzeitig mit dem Wohlstand, dem Humankapital und den ethischen Werten auch die Entschädigung wächst, die man für das Eingehen bestimmter Risiken verlangt.
    –   Wie ist es mit dem Unterschied des WSL zwischen verschiedenen Nationen?
    –   Klar, den gibt es. Das liegt neben dem Wohlstand vielleicht auch an kulturellen Zusammenhängen. Im Gegensatz zu den individualistischen Gesellschaften der westlichen Welt ist die asiatische Kultur meist viel stärker auf die Gemeinschaft ausgerichtet.
    Interessant. Wenn wir also bei der, so Spengler, ständigen Weiterentwicklung auch mal auf die Idee kommen sollten, eine stärkere Ausrichtung auf die Gemeinschaft hin könne auch was Schönes sein, würde unser WSL also wieder sinken.
    –   Gibt es den globalen Wert eines statistischen Lebens, einen Wert, der für alle Menschen der Erde gilt?
    –   Noch nicht. Aber einen Ansatz dafür gäbe es durchaus. In der westlichen Welt sind die Werte relativ stabil. Wenn man jetzt davon ausgeht, daß die ökonomische Kraft einer Gesellschaft der entscheidende Faktor ist, dann kann man das grob gewichten. Ein Land, das etwa ein Zehntel des Inlandprodukts der USA hat, hätte auch einen entsprechend niedrigeren WSL . Jetzt sehr vereinfacht. Das muß ja nicht so linear verlaufen. Das könnte man dann für alle Länder der Welt ermitteln und dann wieder entsprechend der Bevölkerungszahl gewichten. Das sind zwar starke Vereinfachungen, aber so könnte man das probieren.
    –   Und wie hoch wäre dann der Welt-Wert eines statistischen Lebens?
    –   Gemeine Frage.
    Er

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