Was bin ich wert
Familie wird das Baby dann wie ein eigenes Kind behandelt. Dahinter steckt die Hoffnung, dieses neue Kind könne die zuständige Göttin zu einem Segen der Fruchtbarkeit verleiten. Bekommt die Familie dann tatsächlich nocheigenen Nachwuchs, wird das gekaufte Kind in der Regel, so Mohsin, zum Haussklaven degradiert.
– Und was wäre ich wert?
Mohsin grinst.
– Du?
– Ja ich. Was wäre mein Preis?
Das Grinsen verschwindet. Er denkt ernsthaft nach.
– Du bist schon ziemlich alt. Und du bist ein Ausländer, das könnte Ärger geben. Außerdem müßte ein Ausländer, der bereit ist, sich zu verkaufen, schon gewaltige Probleme haben, die ihn zu so was zwingen. Er braucht also viel Geld. Das macht die ganze Sache, in dem Fall dich, ziemlich teuer. Du willst es wirklich wissen?
– Ja, das will ich.
– Ich würde sagen, du könntest etwa doppelt soviel verlangen wie ich.
– Doppelt soviel wie du?
– Ja.
– 40 Millionen Rupien? 600 000 Euro?
– Ja, das könnte hinkommen.
600 000 Euro, natürlich eine inoffizielle Zahl. Sie scheint mir für indische Verhältnisse sehr großzügig zu sein. Es fällt mir etwas schwer, sie ernst zu nehmen. Abgesehen davon ist sie natürlich illegal, illegitim und in keiner Weise ethisch oder sonstwie zu rechtfertigen. Das nur zu Einordnung. Andererseits ist die Summe auf eine bestimmte Art real, sie bezieht sich zumindest auf einen – so abstoßend es ist – realen Markt. Schließlich notiere ich sie zu den anderen, die ich gesammelt habe.
30.
Sklaverei. Ein Exkurs
Im Rahmen meiner Recherchen stoße ich auf folgende Berechnungen eines Nathan Foelling, eines Farmers aus Louisiana. Nach dem Sieg der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg 1865 glaubte Foelling, er könne für die Freilassung seiner Sklaven eine Entschädigung verlangen, und stellte eine Kalkulation auf, die im Boston Traveller , Port Hudson, veröffentlicht wurde: [6]
Für die nachbenannten Sklaven, welche dem Unterzeichneten ungesetzlicher Weise genommen und in Freiheit gesetzt wurden, gegen das Recht ihres Eigentümers und entgegen dem bestehenden Urteil aller christlichen Männer und Frauen:
1.
Joseph,
55 Jahre alt, einäugig und ein wenig lahm; 1860 wurden 500 Dollar für ihn geboten, berechne der Behörde jedoch nur:
230 Dollar
2.
Caleb,
ungefähr 32 Jahre alt, etwas schwindsüchtig, aber nicht bedeutend:
600 Dollar
3.
Sam.
Ein Junge von 32 Jahren, sehr lebhaft, wurde von einem Pferd in den Rücken gestoßen, was ihn zur Feldarbeit aber nicht untüchtig macht:
900 Dollar
4.
Sara,
Dienerin im Haus, nett und aufgeweckt: h
500 Dollar
5.
Toni,
ein großer Junge, Gewicht 190 Pfund, 29 Jahre alt, arbeitet ohne Aufseher:
2200 Dollar
6.
Dinah,
ein zehnjähriges Mädchen, sehr aufgeweckt und zutraulich:
400 Dollar
7.
Old Salomon,
74 Jahre alt, gut zum Kornausziehen und Baumwollaushülsen zu gebrauchen:
200 Dollar
8.
Betsey,
Frau Calebs, 30 Jahre alt, hat gesunde Zähne und flinke Hände, ist gesund:
800 Dollar
9./10.
Betsey und John
, ihre Kinder, 3 und 5 Jahre alt, alle fett und rund, 100 Dollar pro Stück:
200 Dollar
11.
Verne,
ein kräftiges Hausmädchen, sehr niedlich und bescheiden, fast weiß, von guter Gemütsart, eine first class hand als Hausmädchen in einer Gentleman’s Familie:
1800 Dollar
Gesamt:
7930 Dollar
Demgegenüber steht diese Meldung:
»Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) aus Pakistan erfahren hat, wurden auf dem Gelände der Universität von Punjab in Pakistan am Donnerstag, den 7. Mai 2009, etwa 100 Kinder von Mitarbeitern der lokalen Behörden und ihren Familien für 70-80 000 pakistanische Rupien – ca. 700-800 Euro – in einer Auktion zum Kauf angeboten. Als Gründe für diesen Schritt wurden Arbeitslosigkeit und Armut angegeben. Die Polizei soll nicht eingeschritten sein.«
Schon Aristoteles’ Abhandlung Politik beginnt mit einer Verteidigung der Sklaverei. Der Begriff beschreibt die völlige Entrechtung eines Menschen zum Zweck der Ausbeutung. Er wird auf seine Arbeitskraft reduziert, zu einem Produktionsfaktor, der gehandelt werden kann. Offiziell wird die Sklaverei weltweit verdammt. Als letzte Nation hat Mauretanien sie 1980 verboten. Dessen ungeachtet ist der Handel mit Menschen nach Meinung von UNO -Experten inzwischen fast so lukrativ geworden wie der Handel mit Drogen. Die niedrigste Schätzung liegt bei sieben Milliarden Dollar Gewinn
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