Was bin ich wert
Jahre 2005 auf weitaus höhere Kriegskosten als die anfangs erwarteten 60 Milliarden. Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz spricht mittlerweile von etwa 3 000 000 000 000, also drei Billionen Dollar allein für die USA . Der Krieg hat sich also ökonomisch nicht gelohnt, der Ölpreis ist auch nicht gefallen und die Zahl der Toten wird auf insgesamt bis zu 650 000 geschätzt.
Dazu passend eine bittere Anekdote aus dem Ruanda zur Zeit des Völkermordes im Jahr 1994: Der kanadische Kommandeur der UN -Soldaten, Romeo Dallaire, zitiert in seinem Erlebnisbericht Handschlag mit dem Teufel amerikanische Regierungskreise, die stets betont hätten, »erst für die Rettung von 85 000 Afrikanern lohne es sich, das Leben eines GI s zu riskieren«.
Von den Kalkulationen ihrer Kollegen inspiriert, machtensich 2010 auch deutsche Ökonomen daran, entsprechende Rechnungen für ihr Land aufzumachen. So betragen die Kosten des deutschen Afghanistaneinsatzes nach einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ( DIW ) im Jahr rund drei Milliarden Euro. Das sind immerhin zwei Milliarden Euro mehr, als das Verteidigungsministerium angibt. Der Unterschied liegt unter anderem darin begründet, daß das DIW umfassender kalkuliert und neben Zinsen und »Opportunitätskosten durch unterbliebene Investitionen in anderen Bereichen der Volkswirtschaft« auch die Kosten für gefallene Soldaten mit einbezieht. Grundlage dafür ist wieder der in dem Bericht nicht weiter problematisierte Wert eines statistischen Lebens in Höhe von 2,05 Millionen Euro, unter anderem ermittelt von Hannes Spengler. Das entspricht in etwa den von Wallsten ermittelten, vergleichsweise günstigen Summen für einen Kasachen oder Salvadorianer.
Knapp zwei Wochen später kam es am 22. Mai an ganz anderer Stelle zu einem politischen Eklat. Der zu dem Zeitpunkt amtierende Bundespräsident Horst Köhler spricht in einem Interview während eines Truppenbesuches in Afghanistan auch über die Bedeutung von »Handel, Arbeitsplätzen und Einkommen« in Deutschland und bekennt, »daß ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muß, daß im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren«. Köhler nennt bei seinem Bekenntnis zur Kosten-Nutzenrechnung des Afghanistan-Einsatzes allerdings keine konkreten Zahlen, wie die 2,05 Millionen Euro, die laut DIW mit jedem toten deutschen Soldaten verlorengehen, der unsere Wirtschaftsinteressen schützt. Für seine Freimütigkeit bekommt der Bundespräsident aber auch so schon genug Ärger und tritt wenig später beleidigt zurück.
32.
Mein Tod kostet knapp eine Million. Aber nur bei einem Verkehrsunfall.
Die Kalkulation der Bundesanstalt für Straßenwesen
Die BASt, das heißt die Bundesanstalt für Straßenwesen, liegt in Bergisch-Gladbach neben der Autobahn A 4 Köln-Olpe. Ein weitläufiger, maximal dreistöckiger Gebäudekomplex mit angeschlossenem Testgelände und dem architektonischen Charme der achtziger Jahre. Die etwa 400 Mitarbeiter der BASt liefern dem Verkehrsministerium »wissenschaftlich gestützte Entscheidungshilfen bei technischen und verkehrspolitischen Fragen und wirken maßgeblich bei der Ausarbeitung von Vorschriften und Normen mit«.
Die Homepage informiert ausführlich über abgeschlossene, laufende und geplante Forschungsprojekte. Dabei geht es etwa um die Erfassung der Lichteinschaltquoten am Tag von Kraftfahrzeugen in Deutschland oder die Auswirkung von Fahrzeugtuning auf die Verkehrssicherheit.
Die Eurosummen bei den Sach- und Personenschäden halten sich in den umfangreichen Statistiken in etwa die Waage. Der »Kostensatz für getötete Unfallopfer« beträgt laut BASt knapp 1,2 Millionen Euro.
1,2 Millionen für einen Verkehrstoten sind eine klare Aussage. Auch ich könnte im Verkehr sterben. Demnach müßte ich 1,2 Millionen Euro wert sein. Oder?
Der verantwortliche Ansprechpartner für diese Zahl ist der Volkswirt Kai Assing vom Referat »Sicherheitskonzeption und Sicherheitskommunikation«.
Assing ist ein jungenhafter Typ Ende Dreißig mit einem selbstmontierten Blaulicht auf seinem PC -Monitor.
– Warum ist ein Mensch bei Ihnen 1,2 Millionen Euro wert?
– Man kann nicht sagen, daß der Mensch 1,2 Millionen Euro wert ist. Wir berechnen nicht den Wert des menschlichen Lebens. Das kann man nicht.
Nun, da habe ich wohl zu einfach
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