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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
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ja, das weiß ich. Und weil er mich gar nicht kennt, antwortet er über sich.
    –   Ich weigere mich, meinen Preis in monetären Einheiten auszudrücken, hoffe aber, daß meine Familie, meine Freunde mich als sehr wertvoll einstufen.
    Nussbaumer ist Profi, weiß natürlich, daß es immer darum geht, für wen man einen Wert hat. Gut.
    –   Persönlich interessieren mich monetäre Größen, wie etwa Geld, nicht sonderlich. Seit dreißig Jahren habe ich immer nur das bißchen Taschengeld bei mir, das meine Frau mir gibt.
    Seinem Blick nach zu urteilen, scheint ihm das gut zu gefallen. Allerdings kann das doch nicht alles sein. Ist es auch nicht.
    –   Als Volkswirtschaftler ist mir natürlich klar, daß solche Kategorien nötig sind. Etwa bei Entscheidungen in der Medizin. Da spielen Geldeinheiten als Maßstab eine wichtige Rolle. Wir müssen sorgsam mit den finanziellen Ressourcen umgehen. Und es geht nicht darum, ob man den Menschen bewerten will, sondern wir müssen es in gewissen Bereichen einfach tun.
    Klare Aussage. Aber »müssen« wir wirklich? Ich bin mir da mittlerweile nicht mehr so ganz sicher.
    –   Die Knappheit der Ressourcen zwingt uns dazu. Wir stecken in dem Dilemma, was zum Beispiel eine Operation kosten darf. Man braucht da ein Kriterium. »Unendlich« geht ja nicht. Das steckt hinter der sogenannten Güterabwägung, die allerdings sehr unangenehm sein kann und mit Sicherheit auch ethische Fragen aufwirft.
    Nussbaumer fühlt sich bei den »ethischen Fragen« offensichtlich eher unwohl. Das macht ihn sympathisch. Klar ist: »Unendlich« geht nicht. Klar ist auch: Man braucht Kriterien. Aber muß das ein, in welcher Form auch immer berechneter, monetärer Wert des Menschen sein? Das wird bei all meinen Gesprächen immer mehr zu einer, wenn nicht der entscheidenden Frage.
    Nussbaumer interessiert sich vor allem für die historischen Aspekte der Menschenpreise. Er geht davon aus, daß es die Monetarisierung von Menschen mindestens schon seit den Babyloniern, das heißt seit knapp 4000 Jahren gibt. Die Bibel – das dritte Buch Moses – spricht einem Mann den siebzehnfachen Wert eines Mädchens zu. Und Judas verriet seinen Herrn seinerzeit für 30 Silberlinge, was damals übrigens ein ungewöhnlich hoher Preis für ein Menschenleben gewesen sein soll. Unter anderem will Nussbaumer die Zahl der Menschenleben, welche die Kautschuk-Gewinnung um das Jahr 1900 im Kongo gekostet hat, mit den Gewinnen verrechnen. Das Ergebnis wäre dann der »Wert eines Toten in Gummimengen«, wie er sagt. Natürlich kennt er sich mit den beiden populärsten Ansätzen – Wert eines statistischen Lebens und Humankapital, inklusive der verschiedenen Weiterentwicklungen – bestens aus. Glücklich ist er mit keiner der Methoden.
    –   Bei der monetären Berechnung eines Lebens plädiere ich für einen diktatorischen, also allgemeinverbindlichen Ansatz. Dabei geht es um das Minimum, das man zum Überleben braucht. Dieser Wert gilt dann für alle und wäre eine grobe Richtlinie. Auch wenn er unvollkommen ist, könnte er helfen, richtige Entscheidungen im Rahmen von Kosten-Nutzen-Rechnungen zu treffen. Solche Zahlen – das ist wichtig – können aber immer nur ein Hilfsinstrument sein. Nicht mehr und nicht weniger.
    Nussbaumers Ansatz bewertet den Menschen nicht nach dem, was er leistet oder wie der Mensch sich selbst einschätzt, sondern nach dem, was mindestens aufgewendet werden sollte, um sein Leben zu sichern. Diese für alle geltende Mindestsumme ist dann eine Art Schutzgröße, ein Orientierungspunkt für Investitionen in lebenserhaltende oder lebenssichernde Maßnahmen, etwa in der Medizin oder im Straßenverkehr. Auf eine genaue Summe möchte sich Nussbaumer dabei aber nicht festlegen. Dafür ist er zu schlau.
    Für Deutschland, denke ich, könnte das Arbeitslosengeld II – auch als Hartz IV bekannt – ein Maßstab sein. Die »Regelleistung für volljährige Alleinstehende« beträgt demnach 364 Euro im Monat. Dazu kommt »die Erstattung von angemessenen Wohnungs- und Heizungskosten«, wofür in Berlin mit einem Richtwert von 378 Euro gerechnet wird. Macht insgesamt 734 Euro. Bei einer zu erwartenden Lebensdauer von etwa 77 Jahren würde mein Gesamtminimalwert auf »Hartz- IV -Basis« 678   216 Euro betragen. Und da ich, rein statistisch, noch etwa 31 Lebensjahre vor mir habe, läge mein aktueller Restlebenswert bei 273   048 Euro. Das klingt nicht unbedingt berauschend. Um dem auszuweichen, ziehe ich

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