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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loel Zwecker
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entdecken, erfüllt sich im Mittelalter nicht. Erst 1788 beginnen die Kolonisierung und Besiedlung Australiens, nachdem James Cook mit einem Geheimauftrag der englischen Marine, neue wirtschaftlich nutzbare Gebiete zu finden, das Land genauer erforscht. Anfangs landen dort Tausende britische Strafgefangene, die man aufgrund der Unabhängigkeitserklärung Nordamerikas 1776 nicht mehr in diese alte Kolonie verfrachten kann. James Cook trifft auf Ureinwohner, später Aborigines genannt. Hatte der Seefahrer und -räuber William Dampier 1688 beim ersten kurzen Kontakt mit den Uraustraliern geschrieben, »die Einwohner sind die erbärmlichsten der Welt«, notiert James Cook ein Jahrhundert später ganz gemäß dem Bild vom »Edlen Wilden« in sein Tagebuch: »In Wirklichkeit sind sie weit glücklicher als wir Europäer. Sie begehren keine prächtigen Häuser, Dinge des Haushalts etc., sie leben in einem warmen und angenehmen Klima und sind mit einer sehr gesunden Luft gesegnet.«

     
    Bild 18
    Diese australische Felsmalerei, die ein Wesen aus der Traumzeit darstellt, ist zwar Jahrhunderte alt, wirkt aber wie moderne Kunst. Sie entspricht damit dem Wesen der Traumzeit, bei der Vergangenheit und Gegenwart ineinandergreifen.
    Dem mittelalterlichen Europäer, der versuchte, sich das »Südland« vorzustellen, wären wohl zumindest einige mystische Seiten der Australier beziehungsweise Aborigines vertrauter gewesen als späteren, aufgeklärten Zeitgenossen, die tatsächlich mit dieser ursprünglichen Kultur in Berührung kommen. Als Besonderheit neben den international üblichen Natur- und Schöpfungsmythen haben die Aborigines – die heute eine der ältesten noch lebendigen Kulturen der Menschheit sind – die sogenannte Traumzeit. Sie verbindet Vergangenheit und Gegenwart bis in den Alltag hinein und relativiert das lineare Zeitempfinden. Zum dreaming gehören mündlich tradierte Erzählungen, Lieder und Rituale, mit denen man das alte Wissen in einer schriftlosen Kultur mit über 200 Sprachen und Dialekten für die Gegenwart bewahrt.
    Teil dieses Wissens sind auch die sogenannten Traumpfade, Wege, die sich über Hunderte von Kilometern erstrecken können und durch die etwa festgelegt ist, wer wo wohnt. Orientierung bieten wie bei nordamerikanischen Indianern auch Totems, Tiere und Zeichen, mit deren Hilfe man zwischenmenschliche Beziehungen regelt und festlegt, wer wen heiraten darf. Ebenfalls mündlich überliefert werden Gesetze und Kenntnisse darüber, wie man etwa ein Wasserloch findet, ausgräbt und wieder sorgsam verschließt. Da niemand das Gesamtwissen oder den Anspruch darauf hat, gelten Wissen und Land als Gemeinschaftseigentum. So gibt es bei den Aborigines weniger Streit um Besitz, allerdings durchaus um Jagdrechte. Obwohl Schamanen, Medizinmänner und Rechtsexperten, law men , ein Sonderwissen besitzen und schwere Strafen verhängen können, haben sie keine höhere Stellung. Zugleich sind neben Stämmen kleinere Einheiten wie Clans und die Familien wichtig, die weiter und komplizierter untergliedert sind als anderswo.
    Aus mittelalterlicher Perspektive wäre das Leben der Aborigines trotz all seiner Härte weiten Teilen der europäischen Bevölkerung, wenn sie davon gewusst hätten, vielleicht reizvoll erschienen. Schließlich wird man in Europa, wenn man nicht sehr privilegiert ist, von der Angst vor der Erbsünde geplagt, von Steuereintreibern und dem Teufel. Wenn man Pech hat, etwa dem Nachbarn nicht passt, wird man willkürlich als Hexe oder Ketzer angeklagt und zu Tode gefoltert. Berücksichtigt man noch die unbequeme Kleidung aus Wolle oder Eisen, kann man die Bereitschaft vieler Menschen des Mittelalters und der Neuzeit erklären, trotz immenser Gefahren und Ungewissheiten Fernreisen anzutreten und ein warmes terra australis (Südland) zu suchen.

KAPITEL ACHT
     
    Im Laboratorium der Moderne
     
    Die frühe Neuzeit: Kunst- und Medienrevolution, Renaissance und Reformation
     
     
    Als ein paar Knaben auf einer Insel der südlichen Hemisphäre zu Beginn des 16. Jahrhunderts einen ausländischen Diplomaten auf der Straße sehen, stupsen sie ihre Mutter mit dem Ellbogen an: »Schau doch, Mutter, was für ein alter Kindskopf dort noch Perlen und Steinchen trägt, als wäre er ein Dreikäsehoch!« Die Knaben sind Utopier – aus dem Buch Utopia (1516) von Thomas Morus. Im echten Leben war Morus unter anderem Lordkanzler in London. In seinem Buch, mit dem er langfristig den Begriff der Utopie (griech.

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