Was bisher geschah
werden kann. Letzteres gilt auch für die Figur des Tricksters (von engl. trick) , ein mythisches, halbgöttliches Wesen, das aus europäischer Sicht an antike Helden wie den listigen Götterboten Merkur erinnert, bis heute im Englischen schlicht für einen frechen Gauner steht, aber auch mit dem Satan gleichgesetzt wurde. Wie in anderen naturreligiösen Traditionen ist der Trickster auch bei nordamerikanischen Indianerstämmen nicht einfach böse, sondern ambivalent. Oft kann er seine Gestalt verändern (engl. shapeshifter) , mal schadet und verstört er mit seinen Tricks, mal hilft er, indem er den Blick auf andere Welten hin öffnet. Ähnliches lässt sich vom Ritual des Potlatsch sagen, einer Besonderheit von Indianern im amerikanischen Nordwesten: eine zeremonielle Verschwendung, bei der man sein Eigentum verschenkt oder gar zerstört, um Reichtum, Souveränität und Überlegenheit zu demonstrieren und die Ahnen zu ehren.
Zwar führen die Indianer auch Kriege, aber nicht alle Stämme foltern und versklaven ihre Gegner. Natürlich haben viele der positiven indianischen Eigenschaften schlicht mit der dünnen Besiedlung ihrer Jagdgründe zu tun, dem weniger erbitterten Kampf um Ressourcen. Noch gegen Ende des Mittelalters im 15. Jahrhundert und vor der Entdeckung durch Europäer leben Schätzungen zufolge nur zwei Millionen nordamerikanische Indianer auf dem Kontinent. Schon um 1700 sollen es mehr Weiße als Indianer gewesen sein.
Am deutlichsten heben sich die Indianer von anderen Kulturen des Mittelalters vielleicht in ihrem Umgang mit Kindern ab. Nicht nur verzichtet man fast völlig auf körperliche Bestrafung. Reformpädagogisch läuft die Erziehung projektbezogen in kleinen Gruppen ab, es geht um das Beobachten, das Ausprobieren und um persönliche Einweisung. Wichtig ist das Loben der Kinder – auch dann, wenn sie einen Kampf verlieren.
Wie die Christen und Frühsozialisten? Maya, Azteken, Inka
Im Gegensatz zu den nordamerikanischen Indianern entwickeln südamerikanische schon in den vorchristlichen Jahrtausenden Hochkulturen. Die bekanntesten sind die Maya, später die Azteken und Inka. Sie haben einige Gemeinsamkeiten – und weisen alle zusammen schon vor der Missionierung durch Europäer ein paar strukturelle Ähnlichkeiten mit dem christlichen Abendland auf. Neben Städten mit ausgefeilter Infrastruktur beeindrucken im Rückblick die riesigen Pyramiden, deren Stufen die Himmelssphären symbolisieren. Passend zur Priesterherrschaft in diesen Kulturen sind sie wie das Christentum von einem starken Jenseitsglauben und einer Art Sündenbewusstsein geprägt, die zum Teil mit einer Verachtung der irdischen Welt einhergehen.
Die bei weitem älteste der drei Hauptkulturen, die der Maya, die sich im 2. Jahrtausend v. Chr. entwickelt, erstreckt sich über das heutige Mexiko, Guatemala, Belize, El Salvador und Honduras, mit Städten, Straßenbau und Wasserleitungen. Die Maya kennen soziale Schichten, Adel und Priester, Handwerker und Bauern sowie Sklaven, mehrere Götter, Astrologie, Schrift, Kalender. Zu Beginn des europäischen Hochmittelalters kollabiert die Kultur aus bis heute nicht ganz geklärten Gründen.
Wie im Christentum ist der Mensch gemäß dem Popol Vuh , der zu Kolonialzeiten angelegten Sammlung älterer Geschichten, eine göttliche Schöpfung. Die Götter kreieren ihn mit Hilfe des gestaltgebenden Worts – allerdings in mehreren, teils misslungenen Versuchen. Im Widerspruch zum Christentum, das Selbstmord als Sünde bestraft, steht bei den Maya allerdings die Göttin Ixtáb, »Herrin des Seils«, des Galgens, Göttin des Suizids. Während man sich in Europa, sofern man ins Paradies will, das Leben nur als Krieger oder Märtyrer nehmen darf, hievt Ixtáb Menschen nach einem Suizid in den Himmel. Deshalb ist die Selbsttötung auch aus eher nichtigen Gründen unter den Maya manchen Quellen zufolge verbreitet.
Während die Maya den Göttern normalerweise Früchte, Blumen und Tiere darbringen und Menschenopfer eher in Notzeiten durchführen, ist die rituelle Tötung von Menschen ein Markenzeichen der Azteken. Sehr viel jünger – und kurzlebiger – als die der Maya ist die Kultur derer, die sich selbst Mexica nennen und im heutigen Mexiko siedeln. Ihre Hauptstadt Mexiko mit gepflasterten Straßen und Wasserleitungen gründen sie im 14. Jahrhundert. Ihre furchtbar anzusehenden vernarbten Priester kasteien sich – ein bisschen wie europäische Flagellanten. Sie schneiden sich in die
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