Was bisher geschah
Machthabern, Königen und Kaisern seiner Zeit präsentiert.
Einerseits kann in Florenz jedermann eines der rund 1300 Tabernakel (lat. tabernaculum »Hütte, Zelt«) mit Andachtsbildern sowie Madonnenporträts an den Innenseiten der Stadttore genießen. Andererseits kontrastiert die Flut an schönen Bildern vor allem außerhalb der Stadttore mit Hungersnöten und sozialer Ungerechtigkeit. Pächter auf dem Land müssen die Hälfte ihrer Erträge an die Grundbesitzer abgeben. Doch bei allen Einschränkungen, die man über die Verlässlichkeit der Kunst als historische Quelle machen muss, hat es seine Berechtigung, dass auch in historischen Überblickswerken in Kapiteln über die Renaissance-Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts Skulptur und Malerei betont werden wie für keine andere Epoche. Schließlich kommen die Wiedergeburt (Renaissance) und Weiterentwicklung einiger Ideen der Antike, das neue Menschenbild und gesellschaftspolitische Denken in der Kunst und auch durch sie zum Tragen.
So strahlt etwas vom Neuplatonismus auf die Menschen ab, weil sich diese neu umgesetzte Philosophie der Spätantike auf Bildern wie Sandro Botticellis Gemälde Primavera (Der Frühling , um 1480) dargestellt findet – in den lieblichen Frauenfiguren, in Merkur und dem milden mythischen Wind Zephyr. Mit der neuplatonischen Ausgießung des göttlichen Geistes auf die irdischen Dinge und seiner Rückkehr beziehungsweise dem Aufstieg der Seele in den Himmel ist das Denken der Zeit eine kuriose Mischung: Hier treffen christlich jenseitsorientierte Vorstellungen auf antike, die mehr das Zyklische, den natürlichen Kreislauf vom Entstehen und Vergehen betonen beziehungsweise fließende Grenzen zwischen der Menschen- und Götterwelt. Es ist ein Kompromiss aus der Keuschheit Christi und Homers sexsüchtigen Göttern, aus ätherisch gotischen Schönheiten und anatomisch ausgeformter Nacktheit. Das alles theoretisch unter einen Hut zu kriegen ist Aufgabe von Humanisten wie Marcilio Ficino, die dafür von Sponsoren wie den Medici Villen geschenkt bekommen.
Warum laufen diese kulturgeschichtlich wichtigen Entwicklungen besonders früh in Italien ab? Dort löst eine geistig rege städtische Geld- und Handelskultur früh alte Machtstrukturen ab, die unter anderem wegen des Konkurrenzkampfes zwischen dem römisch-deutschen Kaiser und dem Papsttum ausgehöhlt sind. Zuträglich ist der neuen Kultur, dass die italienischen Stadtstaaten auf den alten römischen Verwaltungs- und Infrastrukturen aufbauen können. Auch ist in der Frührenaissance Amerika noch nicht entdeckt. So profitieren die italienischen Stadtstaaten davon, dass sie an den wichtigen See- und Handelswegen in die östlichen Mittelmeerländer (Levante) und den Fernen Osten liegen. Ändern wird sich das erst, als mit der Entdeckung Amerikas Ende des 15. Jahrhunderts der Atlantik das Mittelmeer als Hauptverkehrsweg des internationalen Handels ablöst. Positiv für die italienischen Stadtstaaten wirkt sich auch aus, dass nach der Eroberung von Konstantinopel 1453 durch die Osmanen griechische Gelehrte nach Italien fliehen und Bildung und technisches Know-how mitbringen.
Aus dem italienischen Flickenteppich mit kleineren Stadtstaaten wie Ferrara, Mantua, Padua und Genua ragen in der Renaissancezeit fünf Hauptakteure heraus: erstens Mailand mit der Fürstendynastie der Sforza (ital. »Bezwinger«), gegründet vom Söldnerführer Muzio Attendolo; zweitens Venedig mit einer Oligarchie, in der als (repräsentativer) Regierungschef ein Doge von Mitgliedern aus Patrizierfamilien gewählt wird; drittens der vatikanische Kirchenstaat mit einem Papst, der beim Konklave von – meist bestochenen – Kardinälen gekürt wird; viertens Neapel als Königreich und Zankapfel zwischen Frankreich und Spanien – kulturell weniger prägend, aber ein politischer Faktor bei der langfristigen Zerstückelung Italiens; fünftens das Florenz der Medici, die sich von kleinen Händlern und Bankiers zu Großherzögen aufschwingen. Alle konkurrieren miteinander – und finanzieren Kunst und Kultur nicht nur aus intellektueller Neugier, sondern auch zur Imagepflege.
Bild 3
Sandro Botticellis Primavera (Der Frühling, um 1480)
In ihrer Vielfalt bilden die Stadtstaaten Italiens eine Art Laboratorium für grundlegende Entwicklungen der Neuzeit und Frühmoderne, die später auf ganz Europa ausstrahlen werden. Allerdings haben die italienischen Stadtstaatsgebilde hinsichtlich ihrer innovativen Kraft unterschiedliche
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